Vom Kamin zum Zahnersatz

(c) Clemens Fabry
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Immer weniger Menschen kaufen gemauerte Kamine. Feuerfesthersteller wie Rath brauchen neue Cashcows. Leichter gesagt als getan.

Wien. Was tun, wenn das Produkt, mit dem eine Firma groß geworden ist, langsam vom Markt verschwindet? Erfinde dich neu, raten Managementlehrbücher. Stirbt die alte Cashcow aus, muss eben eine neue her. Doch das ist leichter gesagt als getan.

Rath, ein börsenotiertes Familienunternehmen aus Österreich, probiert es etwa seit Jahren – mit mehr oder weniger großem Erfolg. 1891 in Krummnussbaum gegründet, erzeugte das Unternehmen zunächst vor allem feuerfeste Steine für Kamine und Öfen. Da aber immer weniger Menschen einen gemauerten Kamin kaufen, Notkamine nicht mehr Pflicht sind und auch noch die Baumärkte mit billigen Schwedenöfen um sich werfen, schwindet das Geschäft stetig. Zuletzt setzte es etwa ein Minus von zehn Prozent.

Smartphones und Zähne

Rath reagierte früh und liefert schon lange auch feuerfeste Hochöfen für die Stahlindustrie, Müllverbrennungsanlagen oder thermische Kraftwerke. Aber auch die beiden Standbeine sind derzeit keine echte Stütze. Kraftwerke werden in Europa derzeit aufgrund des niedrigen Strompreises de facto nicht gebaut. Und auch Europas Stahlbranche steht eher vor einer Pleitewelle denn vor dem nächsten Expansionsschub.

„Selbst wir in der Nische spüren die Veränderung“, sagt Rath-Vorstand Jörg Sitzenfrey. Nur noch ein schwaches Drittel des Umsatzes wird im Stahlbereich erwirtschaftet. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet das Management nunmehr sinkende Umsätze, nachdem vor wenigen Monaten noch ein deutliches Plus in Aussicht gestellt wurde.

Je schwächer die Kernmärkte laufen, desto mehr Augenmerk legt die Familiengruppe auf jene Technologien und Märkte, die Wachstum versprechen. So verdient Rath etwa mit, wenn das Glas von Smartphonedisplays gehärtet wird – ein Markt, der wohl noch ein paar Jahre für gute Zahlen herhalten sollte. Noch größere Hoffnungen setzt das Unternehmen aber auf eine feuerfeste Faser, die – anders als Stein – auch hohe Temperaturschwankungen mitmachen kann. Derzeit wird die Faser etwa für die rasche Herstellung von Zahnimplantaten genutzt.

Kosten in Österreich gesunken

Das ist zwar kein Ersatz für das alte Kerngeschäft, gibt aber immerhin dem alten Stammwerk in Krummnussbaum eine Zukunft. Denn neben den traditionellen Kaminsteinen wird dort heute vor allem diese feuerfeste Faser erzeugt. Obwohl Rath schon etliche Werke im Ausland gegründet hat, sei ein komplettes Abwandern aus Österreich mit Sicherheit kein Thema, betont der Firmenchef. Die Kompetenz der Mitarbeiter in Österreich sei hoch, die Lohnstückkosten durch flexible Arbeitszeitmodelle zuletzt sogar gesunken. Als größte Hürde sieht Jörg Sitzenfrey die vielen Auflagen und Behördenwege. „Das entscheidet nicht über Gewinn oder Verlust“, sagt er. „Aber man könnte uns das Leben schon einfacher machen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2017)

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