Schelling: "Kein Wunder, dass die Menschen sauer sind"

Hans Jörg Schelling
Hans Jörg SchellingAPA/ROLAND SCHLAGER
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Nach Kanzler Kern präsentierte auch Finanzminister Schelling seinen Plan für Österreich. Neuen Steuern erteilte er eine Absage. Bis Ende 2020 will er 3,8 Milliarden Euro einsparen.

Für eine Förderalismusreform sei es „hoch an der Zeit“, die Neuordnung der Sozialversicherungslandschaft „unumgänglich“ - und eine Flexibilisierung des Arbeitsmarkts ohnehin schon längst überfällig. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat sich am Montag in seiner Rede zum "Jahresauftakt 2017" einiges vorgenommen. Dabei zeigte er sich durchaus selbstkritisch: "Wir haben gute Vorsätze, aber an irgendetwas hängt es dann, dass wir es nicht hinbekommen". Oft scheitere man in der Regierung an ideologischen Barrieren, sich selbst schließe er mit ein. Und: "Wenn wir in dem Tempo weitermachen, darf man sich nicht wundern, dass die Menschen sauer sind." Bei Gesprächen habe er gemerkt, dass viele Menschen den Eindruck haben, die Politiker würden in einer anderen Realität leben - "und ich fürchte, sie haben recht", so Schelling.  Eigenlob gab es hingegen für die Heta-Lösung. Den größtmöglichen Schaden habe man abgewendet, Österreich habe seine Glaubwürdigkeit wiedergewonnen.

Österreich sei zuletzt von externen Faktoren beeinflusst worden, „die wir vor Jahren nicht erwartet hätten“, so Schelling. Er nannte den Brexit, den Ukraine-Russland-Konflikt und den Lira-Absturz in der Türkei. Um auf solche Situationen reagieren zu können, benötige man „budgetere Spielräume", die sich die Regierung erarbeiten müsse. Konkret plädiert Schelling an die Regierung, bis zum Ende des laufenden Finanzrahmens 2020 fünf Prozent des Budgets oder 3,8 Milliarden Euro einzusparen. Dafür brauche es eine "Aufgabenanalyse" in den Bereichen Förderungen, Steuern, Pensionen, Gesundheit, Familie, Beamte, Landwirtschaft, Umwelt und Föderalismus. Ein Drittel des gesparten Geldes soll in Zukunftsinvestitionen fließen.

"Dieses Land hat ein Ausgabenproblem"

"Dieses Land hat ein Ausgaben-, aber kein Einnahmenproblem", erklärte Schelling und stellte klar: "Es wird mit mir als Finanzminister keine neue Steuern geben. Keine Vermögenssteuer, keine Erbschaftssteuer und auch keine Wertschöpfungsabgabe." Denkbar wäre für ihn lediglich eine CO2-Abgabe - dies allerdings nur im europäischen Gleichklang und wenn die Gesamten Einnahmen in die Senkung der Lohnnebenkosten fließen würden.

Damit erteilte der ÖVP-Minister Bundeskanzler Christian Kerns (SPÖ) Forderungen eine Absage. Und auch sonst lieferte er die eine oder andere Spitze gegen die Grundsatzrede des Kanzlers: "Die Hoffnung, dass gute Laune das Budget saniert, ist falsch und vor allem trügerisch."
So widmete Schelling einen großen Teil der Rede dem Arbeitsmarkt. Eine Flexibilisierung würden sich nicht nur die Arbeitgeber, sondern in der veränderten Gesellschaft auch die Arbeitnehmer wünschen, sagte Schelling. Außerdem stellte er die Automatisierung in den Kollektivverträgen in Frage. Es könne nicht ausreichen, nur älter zu werden, um mehr Gehalt zu bekommen.

Immer wieder betonte Schelling, Österreich müsse unternehmerfreundlicher werden. Die Regierung müsse "verhindern, dass Betriebe abwandern". Außerdem fordere er eine Reform des Insolvenzrechts: Es sei "enorm wichtig, dass das Scheitern möglich wird". Den Spitzensteuersatz für Einkommen in Höhe von 55 Prozent, der zeitlich befristet ist, solle man früher auslaufen lassen. Da 423 Menschen davon betroffen. Insbesondere brauche es ein besseres Investitionsklima, weshalb der Finanzminister einen neuen Investitionsfreibetrag fordert: Unternehmen sollen drei Jahre lang steuerbegünstigt ansparen dürfen, wer neue Mitarbeiter aufnimmt soll weniger Körperschaftssteuer zahlen und auch die Kammerumlage soll für diese Mitarbeiter drei Jahre lang entfallen.

Strafen für Unternehmer will Schelling senken: Arbeitsinspektoren sollen beim ersten Delikt nur beraten, kumulierte Strafen nicht mehr möglich sein. Das 

"Zukunft gestalten statt Vergangenheit verwalten"

Den Pensionshunderter, der 210 Millionen gekostet hat, hätte Schelling gern anderswo eingesetzt. Künftig wolle er sich jedenfalls auf keinen „Kuhhandel“ mehr einlassen, sondern – auch gemeinsam mit der Opposition – an einem großen "Pakt für Österreich" arbeiten.

Immer wieder fielen in Schellings Rede Sätze wie: „Hören wir auf, die Vergangenheit zu verwalten, sondern gestalten wir die Zukunft“. Als Beispiele nannte Schelling die Vorantreibung der Digitalisierung in allen Bereichen, die Einführung einer Forschungsprämie, einer Forschungsbeteiligungsgesellschaft und die Umschichtung von Infrastrukturinvestitionen: „Ist es richtig, dass wir fünf Milliarden Euro in die ÖBB stecken anstatt in den Ausbau des Breitbandinternets?“.

Bei den Pensionen wünscht sich Schelling einen "Gerechtigkeitsmechanismus" und eine raschere Anhebung des Frauenpensionsalters.  Auch im Förderungs- und Bürokratie-Dschungel bestehe dringend Handlungs- und Evaluierungsbedarf. Auch hier nannte Schelling Beispiele: Allein für Deutschkurse seien vier Ministerien zuständig – aber keines von ihnen überprüfe, ob die Menschen danach überhaupt Deutsch können.

Wirtschaftskapitäne im Publikum

Im Publikum lauschten neben vereinzelten ÖVP-Politikern unter anderem Wirtschaftskapitäne wie Telekom-Chef Alejandro Plater, Raiffeisen-NÖ-Wien-Obmann Erwin Hameseder und Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun. Ihnen und allen anderen Zuhörern wünschte Schelling zum Abschluss seiner mehr als einstündigen Rede: "Profit Neujahr!".

(sk)

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