Schweizer Kantone wollen Mindestlohn in Industrie einführen

FABRICE COFFRINI / AFP
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Die Schweizer Industrie bezahlt teilweise Löhne unter 3000 Franken. Die Kantone Zürich und Genf wollen dem entgegensteuern.

In der Schweiz sind die Beschäftigten vor Lohndumping ungleich geschützt. Lohndumping im Einzelhandel oder in der Reinigungsbranche wird mit einem verbindlichen Gesamtarbeitsvertrag (GAV) begegnet. Doch auch die Industrie bezahlt teilweise Löhne unter 3000 Franken (2796 Euro). Die Kantone Zürich und Genf wollen nun gegensteuern.

"Besonders in jenen Bereichen der Industrie, in denen keine Mindestlöhne festgelegt sind, ist Lohndumping ein Problem", erklärt Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizer Gewerkschaftsbunds (SGB) gegenüber der Nachrichtenagentur sda. So zum Beispiel bei Installations- und Wartungsarbeiten von Maschinen. Der Kanton Zürich will dort nun einen Mindestlohn einführen.

Laut Nicolas Aune, Generalsekretär des Genfer Industrieverbands (UIG), wird auch in Unternehmen der Zulieferung und ähnlichen Betrieben, die der ausländischen Konkurrenz in Europa Paroli bieten müssen, der Lohn unterboten.

In der Uhrenindustrie sind es etwa ein Viertel der Betriebe, die nicht dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) der Branche unterstellt sind, schätzt Pierluigi Fedele, Verantwortlicher für die Uhrenindustrie bei der Gewerkschaft Unia. Dort sind Fälle von Lohndumping wohl häufiger anzutreffen. Das gilt vor allem für Unternehmen, die in Grenznähe wie in den Kantonen Neuenburg, Jura und Waadt ansässig sind.

Pierluigi Fedele stellte in einigen Betrieben sogar Bruttolöhne unter 3000 Franken fest. "Auch in der Maschinenindustrie geraten die Löhne aufgrund der Personenfreizügigkeit mehr und mehr unter Druck."

Angesichts dieses Problems hat Genf nun die Schrauben angezogen und für diesen Sektor einen Standard-Arbeitsvertrag erarbeitet. Über alle Industriebereiche hinweg, habe der Genfer Industrieverband im vergangenen Jahr aber nicht mehr Fälle von Lohndumping gezählt. Auch die Frankenstärke übe keinen besonderen Druck auf die Löhne aus, betont Nicolas Aune.

Ähnlich tönt es seitens des Gewerkschaftsbunds SGB. Die Löhne in der Industrie haben zwar stagniert, sind aber trotz des stärkeren Franken nicht gesunken.

Dennoch ist gemäß Pierluigi Fedele nicht alles rosig. Der Regionalsekretär der Unia Transjurane kritisiert, dass ein allgemeingültig erklärter Gesamtarbeitsvertrag fehle. So seien die Tarifvereinbarungen in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie nicht obligatorisch und Fälle von Lohndumping damit eher möglich.

Für Diego Frieden, Zentralsekretär der Gewerkschaft Syna, fehlen vor allem effiziente Kontrollinstrumente, um die Mindestlöhne durchzusetzen.

Im Gegensatz zu Bereichen, die stärker an den Gesamtarbeitsvertrag der Branche gebunden sind - beispielsweise die Sicherheit und das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe - zählt die Industrie zahlreiche Unternehmens-Tarifvereinbarungen.

Die Mehrheit davon seien verbindlich. In Anbetracht der Reichweite dieser Verträge brauche es Kontrollinstrumente zur Überwachung der Löhne, sagt Frieden. Die Einführung von Mindestlöhnen sei außerdem nicht das Allheilmittel. Der Mindestlohn diene als Referenzlohn. Erst eine Abweichung von 15 bis 20 Prozent würde als Lohndumping gelten.

Ein bereits tiefer Mindestlohn kann also noch unterschritten werden und würde dennoch akzeptiert, trotz seines fast skandalösen Niveaus. Frieden spricht sich daher für eine weitere Anpassung der Mindestlöhne aus.

(APA/sda)

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