Dieselabgase: Jetzt trifft es Citroën

Ein EU-Labor hat bei einem Modell der Marke Citroën verdächtige Messungsergebnisse festgestellt.
Ein EU-Labor hat bei einem Modell der Marke Citroën verdächtige Messungsergebnisse festgestellt.(c) REUTERS
  • Drucken

Bei einem Citroën-Modell des französischen Autoherstellers PSA wurden massiv überhöhte Abgaswerte festgestellt. Der Streit zwischen Deutschland und Italien über Fiat eskaliert.

Paris/Brüssel/Wien. Die Dieselabgasaffäre ist kein exklusiver VW-Skandal. Das ist bekannt. Mitte vergangener Woche erhob die US-Umweltbehörde EPA Vorwürfe gegen Fiat Chrysler wegen möglicher Manipulationen bei seinen 3,0-Liter-Dieselmotoren. Ende vergangener Woche weitete die französische Justiz Ermittlungen gegen Renault wegen erhöhter Abgaswerte aus. Und jetzt gerät der Autobauer PSA ins Zwielicht: Bei dessen Modell Citroën Cactus wurden deutlich überhöhte Stickoxidwerte gemessen.

Laut einem Bericht in der gestrigen Ausgabe der Tageszeitung „Le Parisien“ stellte das Joint Research Center der EU-Kommission die Überschreitungen fest. Bei Tests in Spanien und Italien sei beim Citroën C4 Cactus Blue HDi 100 ein Ausstoß von 585Milligramm Stickoxid (NOx) pro Kilometer festgestellt worden. Das ist sieben Mal mehr als der laut Euro-6-Norm erlaubte Ausstoß von 80 Milligramm Stickoxid.

Streit Italien – Deutschland

Für Irritationen bei den Prüfern sorgte allerdings, dass bei diesem Citroën-Modell bei Labortests außerhalb der üblichen Temperaturwerte (17–23 Grad) Überschreitungen um das Dreifache festgestellt wurden. Für die Differenz gibt es keine offizielle Erklärung.

Bei PSA reagierte man auf die Untersuchung irritiert. „Wir wurden über das Ergebnis nicht informiert und sind auch nicht mit dem Testablauf vertraut. Ähnliche Fahrzeuge, die mit dem gleichen Motor ausgestattet sind, entsprachen bei Tests der französischen Behörden genau den Vorschriften“, betonte eine Konzernsprecherin. Medien berichteten, dass PSA seinen Vizepräsidenten, Christian Chapelle, nach Norditalien geschickt habe, um die Ergebnisse zu erklären.

Nach dem VW-Abgasskandal haben mehrere Behörden und Automobilclubs in Europa Tests unter realen Fahrbedingungen durchgeführt. Dabei wurden bei den meisten Autos höhere Abgaswerte festgestellt. Citroën sticht aber heraus, weil es auch im Labor Abweichungen gibt.

Die EU ist gerade dabei, die Anforderungen an die Tests zu überarbeiten. Die Tests sollen künftig generell unter echten Bedingungen durchgeführt werden, und nicht mehr unter unrealistischen Bedingungen im Labor, auf die sich die Autoindustrie einstellen kann.

Die Abgasmanipulationen sorgen auch auf politischer Ebene für Unstimmigkeiten, aktuell zwischen Deutschland und Italien nach den Vorwürfen gegen Fiat Chrysler (FCA). Die USA werfen FCA Manipulationen bei den Dieselmotoren bestimmter Jeep- und Dodge-Modelle (Grand Cherokee, Ram 1500) vor. In den USA geht es um etwa 100.000 Fahrzeuge, in der EU sollen 33.000Stück verkauft worden sein.

Der deutsche Verkehrsminister, Alexander Dobrindt, hatte daher einen Rückruf dieser Modelle von FCA verlangt. Deutschland beschuldigt den Konzern, illegale Abschalteinrichtungen zu verwenden. Fiat und die italienischen Behörden hätten sich aber bisher geweigert, an der Aufklärung mitzuwirken. „Bis heute liegt von italienischer Seite keine Stellungnahme zu unseren Untersuchungsergebnissen und zu den Untersuchungsergebnissen der EU-Kommission vor“, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums in Berlin.

„Man gibt uns keine Befehle“

Italiens Verkehrsminister, Graziano Delrio, reagierte empört auf die Anschuldigungen aus Deutschland. „Man gibt einem souveränen Land wie Italien keine Befehle“, schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Es gebe keinerlei Hinweise, dass die EU-Kommission Belege habe, die die deutschen Testergebnisse bestätigten. In einem Interview fügte der Minister mit Blick auf Deutschland hinzu, man dulde keine Einmischungen, die „einem Wahlkampf oder internen Spannungen in einem Land“ geschuldet seien.

Das italienische Verkehrsministerium erklärte in der Nacht auf Dienstag, eigene Tests am Modell Fiat 500X hätten keine Manipulationen bei Abgaswerten ergeben. Es seien in den Autos auch keine illegalen Abschalteinrichtungen festgestellt worden. Ein detaillierter Bericht sei den deutschen Behörden geschickt worden.

Die Konsumenten scheinen von den Debatten unbeeindruckt und kaufen Neuwagen, wie schon lang nicht mehr. Im vergangenen Jahr sei die Zahl der Neuzulassungen in der EU um 6,8 Prozent auf 14,64 Millionen gestiegen, wie der europäische Autoherstellerverband ACEA am Dienstag mitteilte. Damit bewegen sich die Zahlen fast wieder auf dem Niveau von 2008.

Die Nummer eins unter den Herstellern in Europa ist weiterhin Volkswagen. 23,9 Prozent der Neuzulassungen entfielen auf den Konzern. Konkurrenten wie Daimler und BMW, aber auch Renault, konnten ihre Marktanteile ausbauen. So steigerte Daimler den Absatz um 13,8 Prozent, BMW legte um 10,1 und Renault um 12,1 Prozent zu. (red./ag.)

AUF EINEN BLICK

Bei Tests stellte ein EU-Labor bei einem Modell des französischen Autoherstellers PSA deutlich überhöhte Abgaswerte fest. Der Citroën C4 Cactus BlueHDi 100 stieß auf einen Kilometer 585 Milligramm Stickoxide aus. Erlaubt sind laut Euro-6-Vorschriften aber nur 80 Milligramm pro Kilometer. Auch kam es bei Labormessungen unter unterschiedlichen Temperaturen zu Abweichungen. PSA wies Manipulationsvorwürfe zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Im Diesel-Skandal bricht Streit zwischen Berlin und Rom aus

Italien reagiert verärgert auf Deutschlands Forderung nach Rückruf bestimmter Fiat-Fahrzeuge.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.