Davos befindet sich auf der falschen Seite der Geschichte

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Davos muss zurück zu den Wurzeln, die Cocktailparties vor Ort vermeiden, sich auf die Ziele der Politik konzentrieren, um eine 99 prozentige Veränderung herbeizuführen.

Lassen Sie uns doch mal an die Delegierten denken, die diese Woche zum Weltwirtschaftsforum nach Davos reisen. Typischerweise verbindet man damit sofort die Worte ‚Verwirrung‘ und ‚Krise‘. Denn ihre Weltanschauung wird gerade so sehr wie noch nie von wütenden Wählern infrage gestellt – vor dem Hintergrund eines bröckelnden Wirtschaftsmodells und auf Kosten der Globalisierung.
Kritik an Davos ist nichts Neues und langweilt ja auch irgendwie: Nichtsdestotrotz ist das Weltwirtschaftsforum eine Quasselbude, in der nichts entschieden, aber dafür sehr viel Geld ausgegeben wird. Davos ist eine extravagante Streiterei der Eitelkeiten, in der sich diejenigen, die viel haben, mit denen, die noch mehr haben, treffen, um Deals abzuschließen.

Durch den Brexit und wegen der Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten hat sich die Kritik dieses Jahr noch verschärft. Beide Wahlen wurden – wenn auch vielleicht nur zum Teil – durch die überwältigende Ablehnung des Establishments und seiner Art Geschäfte zu machen, angetrieben.

Millionen von Menschen, die nie die Möglichkeit haben werden, auch nur in die Nähe dieses alpinen Kurorts zu kommen, haben beschlossen, dass genug genug sei. Sie sind davon genervt, dass ihnen ständig das Blaue vom Himmel versprochen wird, während sie die Wucht der Arbeitslosigkeit durch die Globalisierung und der wachsenden Ungerechtigkeit zu spüren bekommen. Das war ihre demokratische Version des Mittelfingers.

Davos muss zurück zu den Wurzeln

Davos und viele Delegierte verkörpern das, wogegen die Welt schimpft. Das Weltwirtschaftsforum posaunt die Präsenz von 3.000 Regierungschefs, Wirtschaftsvertretern und gesellschaftlicher Größen so laut heraus, als handele es sich um die Gästeliste eines exklusiven Balls.
Als WEF-Präsident ist Klaus Schwab der Davoser Nummer eins Delegierte. Er hat mich bereits für diese Aussage gescholten und behauptet, dass das eine sehr oberflächliche Betrachtungsweise sei. Er ist der Meinung, dass das Zuschieben des schwarzen Peters genau das ist, was wir gerade nicht tun sollten. Stattdessen sollten wir das Problem bei seinen Wurzeln packen. Wir sollten konstruktiv zusammenarbeiten.
Das ist der Punkt, an dem ich respektvoll widersprechen muss. Denn der gemeine Davos Delegierte ist nämlich überhaupt nicht in der Lage, die Wurzeln des Problems zu sehen, da dies ein komplettes Überdenken des westlichen Kapitalismus, der von Brexit- und Trump-Unterstützern abgelehnt wurde, voraussetzen würde.
Schwab zufolge sei es beschränkt, Davos nur durch die transatlantische Brille zu sehen. Es stimmt, dass viele Delegierte aus Asien und aus Entwicklungsländern kommen. Allerdings sieht die Realität auch so aus, dass sie die meiste Zeit damit verbringen, über Trump und Europa zu schimpfen, da diese Themen die globale Wirtschaft erschüttern könnten.
Es gibt über 400 Sessions, die große Themen adressieren – die Zukunft der USA und die Auswirkungen des Brexit eingeschlossen. Allerdings fehlt es an Panels auf der WEF Agenda, die Titel wie ‚wir sind unerreichbar‘ oder ‚wir haben es nicht kommen sehen‘ tragen. Was das WEF niemals zugeben wird, ist, dass die meisten Delegierten das repräsentieren, was an den Wahlurnen in UK und den USA negiert wurde und eben diese Delegierten verstehen nicht, dass sie diese Ablehnung nicht haben kommen sehen.

Die Tatsache, dass der chinesische Präsident Xi Jinping mit einer großen Delegation anreist, ist faszinierend, was allerdings genauso faszinierend ist, ist, dass einige Regierungsvertreter dieses Jahr eben nicht vor Ort sind. Und wie ironisch ist es denn, dass die populärsten Vertreter der Ablehnung dieses Establishments während Trumps Amtseinführung formiert werden, während die unbeabsichtigten Architekten desselbigen sich auf der anderen Seite der Welt treffen.

Davos muss zurück zu den Wurzeln, die Cocktailparties vor Ort vermeiden, sich auf die Ziele der Politik konzentrieren, um eine 99 prozentige Veränderung herbeizuführen. Um fair zu bleiben: Schwab und seine Anhänger haben genau diese Dinge angesprochen, allerdings haben nur einige der Teilnehmer zugehört.

Nun finden sich die Davos Delegierten auf der falschen Seite der Geschichte wieder. Wenn das diesjährige Event nicht zu gehaltvollen Diskussionen führt, die die Grenzen des Kongresses überschreiten, wird keiner es vermissen, wenn Davos einfach die Lichter ausknipst.

Richard Quest

Richard Quest ist CNN Moderator von Quest Means Business und Editor-at-large von CNNMoney

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