Schäuble schließt Steuerschlupfloch

Kein einsamer Vorstoß: Was Schäuble plant, gibt es in Österreich seit 2014. Schießt das heimische Gesetz übers Ziel hinaus?
Kein einsamer Vorstoß: Was Schäuble plant, gibt es in Österreich seit 2014. Schießt das heimische Gesetz übers Ziel hinaus? (c) APA/dpa/Gregor Fischer
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Deutschland will nicht mehr akzeptieren, dass Konzerne über Lizenzen ihre Gewinne verschieben – und folgt damit Österreich, das mit einem strengeren Gesetz Vorreiter war.

Wien. Der Trick ist berüchtigt. Im Extremfall funktioniert er so: Ein multinationaler Konzern gründet eine Tochter in einer Steueroase und überträgt ihr Patente, Know-how und Markenrechte. Fortan kassiert dieser Briefkasten üppige Lizenzgebühren von allen anderen Firmen im Verbund und zahlt dafür sehr wenig oder gar keine Steuern. Den Ländern, in denen die Wertschöpfung tatsächlich erfolgt, fehlen die Einnahmen. Aber sie sind machtlos. Denn wenn die Höhe der Lizenzen fremdüblich bleibt, ist die Konstruktion legal.

Wolfgang Schäuble will sich das nicht länger gefallen lassen. Der deutsche Finanzminister plant eine „Lizenzschranke“, die das Schlupfloch schließen soll. Damit sind die überwiesenen Beträge, wenn sie im Ausland nur niedrig besteuert werden, in Deutschland steuerlich nicht mehr abzugsfähig. Es sei denn, die entsprechende Aktivität findet tatsächlich im Ausland statt – im Fall von Patenten etwa die Forschung und Entwicklung, die zu ihnen führt. Am Mittwoch soll der Gesetzesentwurf in Berlin durchs Kabinett gehen.

Freilich: Was deutsche Medien nun als mutigen Schritt begrüßen, praktiziert der Fiskus hierzulande schon seit fast zwei Jahren. Österreich war damit Vorreiter in Europa. Die Regelung ist sogar strenger: Sie umfasst neben Lizenzen auch Zinsen für konzerninterne Kredite. Dabei spielt keine Rolle, ob ein Dritter gleich viel verlangen könnte oder ob die ausländische Konzernfirma selbst forscht. Entscheidend ist nur die Steuerbelastung im Ausland: Alles unter zehn Prozent wird nicht akzeptiert. Eine „ziemlich krasse Regel“, findet Iris Burgstaller, Expertin für Internationales Steuerrecht bei TPA.

Das Thema ist in ganz Europa durch die „Patentboxen“ virulent geworden. Seit 2000 haben sie fast die Hälfte aller EU-Länder eingeführt (Österreich nicht, weil es politisch kaum durchsetzbar wäre). Dabei besteuert der Staat Lizenzeinkünfte niedriger als die übrigen Gewinnbestandteile. So kann man Forschung und Entwicklung fördern und innovative Unternehmen ins Land holen.

Wien holt sich mehr als Berlin

Eine „Box“ kann aber auch nur dem aggressiven Steuerwettbewerb dienen, wenn die Forschung gar nicht vor Ort stattfindet. Oder wenn es um Markenrechte oder Know-how geht, das sich schwer lokalisieren lässt. Was der OECD und den G20 ein Dorn im Auge ist – vor allem mit Blick auf amerikanische IT-Giganten wie Google und Apple, die auf diese Weise Milliarden verschieben und fast keine Steuern zahlen.

Die OECD hat weltweit 16 Länder identifiziert, deren Lizenzregime sie für „schädlich“ hält. Bis vorigen Sommer sollten sie den Kreis der privilegierten Unternehmen nicht mehr weiter ausdehnen, bis 2021 die als unfair erkannten Vorteile abschaffen. Was die meisten dieser Länder auch umsetzen. Aber ausgerechnet jene nicht, um die es in Europa in erster Linie geht: Malta, das Lizenzeinkünfte gar nicht besteuert, und die Niederlande, wo nur fünf Prozent anfallen (was etwa Ikea ausnutzt).

Warum aber diese mühsame und langwierige Anpassung, wenn sich einzelne benachteiligte Staaten so leicht gesetzlich wehren können? Für Burgstaller gibt es gute Gründe, warum nur wenige Länder „Strafsteuern“ wie Österreich einführen: „Das kann ein Standortnachteil sein“ – vor allem dann, wenn man internationale Konzerne zuerst ins Land lockt und dann mit einem Gesetz überrascht, das strenger als die allgemein akzeptieren OECD-Regeln ist. „Man muss schon aufpassen, dass man nicht alle vergrault“ – und schließlich womöglich vertreibt.

Zumindest kurzfristig bringt das verschärfte Gesetz dem Fiskus aber durchaus stattliche Zusatzeinnahmen: 100 Millionen Euro pro Jahr waren geplant, in etwa so viel kommt laut Finanzministerium auch herein. Auffallend viel mehr als im zehnmal größeren Deutschland, wo Schäubles Truppe ganz bescheiden von 30 Mio. Euro ausgeht. Warum der Unterschied? Weil das heimische Gesetz eben strenger sei und mehr abdecke, hört man aus dem Ministerium. Für Schäuble geht es aber gar nicht um die Einnahmen, die in Deutschland ohnehin üppig sprudeln. Er will das Schlupfloch „im Sinne der Fairness“ schließen.

Auf einen Blick

Deutschland plant ein Gesetz, das Steuervermeidung durch multinationale Konzerne verhindern soll: Wer Gewinne über Lizenzgebühren in Niedrigsteuerländer verschiebt, kann diesen Aufwand künftig nicht mehr steuerlich absetzen. In Österreich gilt ein strengeres Gesetz seit März 2014. Es umfasst auch Zinsen auf konzerninterne Kredite und lässt keinen Steuersatz unter zehn Prozent zu. Damit geht es über die Regeln der OECD hinaus. Laut diesen sind niedrige Steuern auf Lizenzen in Ordnung, wenn die Forschung wirklich vor Ort stattfindet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2017)

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