Handelspakt EU-Kanada nimmt die nächste Hürde

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Handelsausschuss des Europaparlaments gibt grünes Licht, das Plenum stimmt über Ceta voraussichtlich im Februar ab. Eine Blaupause für das Freihandelsabkommen mit den USA ist Ceta längst nicht mehr, denn der neue US-Präsident ist ein Protektionist – und TTIP gilt als „tot“.

25 dafür, 15 dagegen, eine Enthaltung – so lautet das Ergebnis der Abstimmung über die Ratifizierung des europäisch-kanadischen Freihandelsabkommens Ceta im zuständigen Ausschuss des Europaparlaments. Die Mitglieder des Handelsausschusses trafen gestern zusammen, um den Pakt in die Zielgerade zu bringen. Das definitive Votum des Hohen Hauses der EU findet aller Voraussicht nach während der Straßburger Plenarsitzung Mitte Februar statt. Geht die Abstimmung wie erwartet über die Bühne – wofür die Tatsache spricht, dass beim gestrigen Votum im Ausschuss Konservative, Liberale sowie Teile der Sozialdemokraten für Ceta gestimmt haben –, kann das Abkommen mit Kanada bereits im April in Kraft treten.

Ewiges Provisorium

Definitiv in trockenen Tüchern wäre Ceta damit aber nicht, denn auf EU-Ebene kann der Pakt nicht zur Gänze ratifiziert werden. Jene Teile des Abkommens, die nationalstaatliche Kompetenzen berühren, müssen nämlich von allen nationalen (sowie auch regionalen) Parlamenten bewilligt werden. Der Grund: Ceta gilt wegen seiner Komplexität und seines Umfangs als sogenanntes Gemischtes Abkommen und ist somit nicht ausschließlich Sache der europäischen Institutionen. Aufgrund der Tatsache, dass die Teile von Ceta, die auf nationaler Ebene abgesegnet werden müssen, als besonders umstritten gelten – dazu zählen unter anderem die berüchtigten Schutzklauseln für ausländische Investoren –, gilt es nahezu als ausgemacht, dass das Abkommen mit Kanada nie vollständig ratifiziert wird und damit ein ewiges Provisorium bleibt.

Ceta galt lange Zeit als Blaupause für das weit größere transatlantische Abkommen mit den USA: Die Verhandlungen zu TTIP haben 2013 begonnen, in den vergangenen Jahren provozierten sie aufgrund der auch bei Ceta kontroversen Klauseln zum Investorenschutz und außerparlamentarischer regulatorischer Zusammenarbeit immer heftigere Proteste – weshalb das Abkommen zuletzt als kaum ratifizierbar gegolten hat. Mit dem Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus haben sich die europäischen Bedenken insofern relativiert, als der neue US-Präsident ein erklärter Protektionist ist und höchstens bilaterale Handelsabkommen schließen will, aber keine großen Vereinbarungen à la TTIP.

Exekution einer Leiche

Aus dem grundsätzlich fixierten Transpazifischen Handelspakt TPP haben sich die USA bereits zurückgezogen. Die Verhandlungen mit den Europäern liegen offiziell auf Eis. Hinter vorgehaltener Hand wird TTIP in Brüssel bereits als „tot“ bezeichnet. Das am Montag in Österreich angelaufene Volksbegehren gegen TTIP, Ceta und das multilaterale Dienstleistungsabkommen Tisa gleicht somit der Exekution einer Leiche.

Ist Freihandel für die EU also kein Thema mehr? Mitnichten. Die EU-Kommission, die im Namen der Mitgliedstaaten derartige Abkommen verhandelt, hat momentan mehrere Deals in der Pipeline – unter anderem mit Japan und Singapur. Paradoxerweise könnte Donald Trumps Feldzug gegen den Freihandel in Europa für Aufwind sorgen. Der österreichische Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP), der am Montag am Agrarrat in Brüssel teilgenommen hat, berichtete vom gesteigerten Interesse asiatischer Handelspartner an einem Abkommen mit der EU, nachdem die USA der Region den Rücken gekehrt haben.

Die Verhandlungen mit Partnern in Fernost sind aber eine Lappalie im Vergleich zum bevorstehenden Poker mit Großbritannien. Nach dem Austritt der Briten aus der EU, der aller Voraussicht nach 2019 stattfinden wird, müssen London und Brüssel ihre Handelsbeziehungen neu regeln – die Briten wünschen sich bekanntlich einen möglichst umfangreichen Zugang zum EU-Binnenmarkt, und Ceta gilt dabei als mögliches Vorbild – und zwar nicht nur in inhaltlicher Hinsicht, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass es ein Gemischtes Abkommen ist. Soll heißen: Jeder Deal, den EU-Kommission und britische Regierung vereinbaren, wird von allen nationalen und regionalen Parlamenten der 27 verbliebenen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden müssen. Die Neuordnung der europäisch-britischen Beziehungen wird also ein langwieriger Prozess mit offenem Ausgang. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2017)

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