Die Angst um den Schleier

Dieses Bild soll es in Österreich ab diesem Sommer nicht mehr geben.
Dieses Bild soll es in Österreich ab diesem Sommer nicht mehr geben.(c) BARBARA GINDL / APA / picturedesk.com
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Das geplante Burkaverbot trifft vor allem arabische Touristinnen. Österreichs Hoteliers bangen um ihr weltoffenes Image und um eine konstant wachsende, ausgabenfreudige Klientel.

Wien. Vor rund einem Jahr hisste Khalaf Ahmad Al Habtoor die Flagge der Vereinigten Arabischen Emirate vor seinem neuesten Besitz, dem Nobelhotel Imperial auf der Wiener Ringstraße. Das sei eine Einladung an die Menschen in seiner Heimat, in die „schönste Stadt der Welt“ zu kommen. Die Einladung schien überflüssig: In den vergangenen fünf Jahren stieg die Zahl arabischer Gäste in Wien um 51,6 Prozent auf 155.000 an. 2015 machten die Hoteliers in der Hauptstadt alleine mit Gästen aus dem arabischen Raum einen Umsatz von 30 Mio. Euro.

„Für Österreich“ steht groß auf dem neuen Regierungsprogramm der Koalitionsparteien ÖVP und SPÖ. Für Österreich wird darin unter anderem ein Integrationsgesetz angekündigt, in dem eine Passage zurzeit heftig diskutiert wird: Ab Juli soll im öffentlichen Raum ein Nikab- und Burkaverbot greifen. Vollverschleierte Frauen müssen dann mit Strafen in Höhe von 150 Euro rechnen.

Es wird geschätzt, dass 100 bis 200 in Österreich lebende Muslima davon betroffen wären – und die tausenden arabischen Touristinnen, die etwa Imperial–Eigentümer Habtoor gerne in Wien empfangen würde. „Im Tourismus ist das Gesetz die Antwort auf eine Frage, die wir nie gestellt haben“, formuliert es Norbert Kettner, der Direktor von Wien Tourismus. „Wien wurde immer als die Stadt wahrgenommen, die nicht be- und verurteilt und wo man seine Bräuche leben kann.“ Mit dem erfreulichen wirtschaftlichen Effekt, dass die betuchte arabische Klientel samt mehrköpfiger Entourage immer öfter hier urlaubte.

Kettner will nicht vorhersagen, inwiefern sich das ändern könnte. Die Hoteliers in den Salzburger Urlaubsdestinationen Zell am See und Kaprun, die im Sommer bereits zu einem Drittel von der arabischen Klientel leben, geben sich bei dem Thema ebenfalls zugeknöpft. Zu „verfassungsrechtlich so hochkomplexen Fragen wie einem Verschleierungsverbot“ könne man keine Stellung beziehen, heißt es bloß in einem standardisierten Schreiben.

Kurz: Kein Schaden in Schweiz

„Es macht sicherlich kein gutes Bild im Ausland“, sagt Petra Nocker-Schwarzenbacher. Aber sie verstehe auch Außenminister Sebastian Kurz in seinen Beweggründen, so die Tourismusobfrau in der Wirtschaftskammer. Dass der von ihm oft angeführte Vergleich mit dem Schweizer Kanton Tessin hält, bezweifelt sie aber. Dort wird das Tragen von Ganzkörperschleiern seit vergangenem Juli mit Strafen von bis zu 10.000 Schweizer Franken geahndet. Nichts sei passiert, so Kurz. „Zahlenmäßig ist das Burka-Verbot nicht ins Gewicht gefallen“, bestätigt Tessins Tourismusdirektor Elia Frapolli. Die Nächtigungszahlen hätten von Jänner bis November 2016 um 2,1 Prozent zugelegt.

Vergleicht man die fraglichen Zahlen aber mit Österreich, wird klar, was die Tourismusobfrau meint: Im Tessin zählte man 2016 45.266 Nächtigungen von Gästen aus den Golfstaaten – hierzulande, wo das Verbot bundesweit greifen soll, waren es laut Österreich Werbung 1,2 Millionen.

Nützlichere Zahlen würden sich eher in Frankreich anbieten: Das Land, das die strenge Trennung von Staat und Religion traditionell groß schreibt, war 2011 das erste in der EU, das die Vollverschleierung unter Strafe stellte. Im Jahr darauf waren die Nächtigungszahlen von Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten in der Metropole Paris um fast sieben Prozent gestiegen. Man sei nie auf die Idee gekommen, hier Zusammenhänge zu untersuchen, sagt Véronique Potelet Anty aus dem Pariser Tourismusbüro ganz im Sinn des gelebten Laizismus. Aber die Zahlen sprächen gegen einen Negativeffekt.

Auch wenn dieser in Österreich genauso ausbleiben sollte, dürfte das nicht alle beruhigen. „Das ist Symbolpolitik – das Land wird dadurch weder sicherer noch gastfreundlicher“, sagt Kettner.

„Wird nicht Problem lösen“

Auch der Gastronom und Neos-Mandatar Sepp Schellhorn kann dem Gesetz nichts abgewinnen. „Das Burka-Verbot wird nicht das Problem lösen.“ Österreich befinde sich in einer Integrationskrise, die mit ein paar schönen Sätzen nicht beendet sei, betont er und ergänzt: „Die beste Integration findet durch Arbeit statt.“

Zwölf Asylberechtigte arbeiten in seinem Hotel, mehr sollen folgen. Die politischen Bemühungen bei ihrer Eingliederung in den Arbeitsmarkt hält Schellhorn für zu gering. Ebenda setzt das geplante Gesetz mit einem Integrationsjahr aber auch an. Die SPÖ bekam es nach zähem Ringen – unter anderem im Austausch für das Burkaverbot.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2017)

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