Willkommen im Zeitalter des Internets

(c) BilderBox
  • Drucken

Österreichs Handelslehrlinge dürfen sich spät aber doch über eine Ausbildung zum Online-Händler freuen.

Die Zahlen der österreichischen Handelsforscher könnten einen alarmieren. Außer man arbeitet in der österreichischen Wirtschaftskammer.

Frisches Anschauungsmaterial für die dort glücklicherweise heile Welt im Handel liefert eine Debatte von vergangener Woche. Bis 2025 werden nicht 13, sondern 25 Prozent der Einzelhandelsumsätze ins Internet abfließen, rechnete eine Branchenstudie vor. Alleine im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Pakete, die gekauft und zugestellt wurden ohne dass der Kunde je seinen Fuß in einen Laden aus Stein und Beton gesetzt hat um mehr als 30 Prozent, belegte eine andere.

Die Antwort der Interessensvertreter: Alles nicht so wild. Das Geschäft im Internet mache nach wie vor nur 6,4 Mrd. Euro von 68,2 Mrd. Euro Gesamtumsatz aus. Und darüber hinaus zeige der Trend zu Amazon und Konsorten sowieso bereits eine „abflachende Wachstumsdynamik“.

Gestützt auf die hauseigenen Zahlen gibt man sich in der Kammer gerne betont unbekümmert, wenn es um die umstürzende Kraft des Internets geht. Eben dieselben Branchenvertreter ließen nun aber mit einem ersten zaghaften Schritt ins unbekannte Terrain des 21. Jahrhunderts aufhorchen. Montagabend fiel der offizielle Startschuss für die Lehrlingsausbildung im „Digitalen Verkauf“: 11.000 zukünftigen Einzelhandelskaufleute, sprich 11.000 Digital Natives, können ab Herbst wählen, ob sie sich mit den Vorzüge des weltweiten Netzes auch abseits von Facebook und Instagram beschäftigen wollen.

Bei der Implementierung des fünfjährigen Pilotprojekts geht die Kammer schön österreichisch vor: Vorerst bleibt die Schulung zum Online-Händler optional für die Ausbilderbetriebe. Denn es gebe Vorzeigefälle wie den Sporthändler Hervis, der seine Lehre längst in Eigenregie auf die Digitalisierung ausgerichtet hat. Es gebe aber genauso Betriebe, die die Veränderung in der Lehre mit dem Satz „Kommt mir nicht ins Haus“ goutieren, erklärt der bildungspolitische Leiter der Sparte Handel, Jörg Schielin, den Mittelweg. In vier Jahren soll das Programm evaluiert werden.

Handel im Wandel – der alte Spruch wurde am Montag bei der Präsentation des neuen Lehrgangs nicht einmal bemüht. Er ließ sich trefflich auf alles mögliche anwenden: Wer wüsste etwa schon, ob sich Modeerscheinungen wie das Tablet in vier Jahren nicht überlebt haben und sich im Verkaufsprozess noch jemanden dafür interessierte, wurde gefragt.

An dieser Stelle fühlte sich der Zuhörer an den Satz erinnert, der Microsoft-Gründer Bill Gates wohl sein Leben lang von süffisanten Zeitgenossen in Erinnerung gerufen wird. „Das Internet ist nur ein Hype“, soll er 1993 zu seinen Mitarbeitern gesagt haben. Sie sollten ihre Energie lieber auf relevantere Erfindungen verwenden.

Die Kammer hofft, die Option bis 2022 in eine Pflicht umgewandelt zu haben. Bis dahin dürfte so mancher „Kommt mit nicht ins Haus“-Lehrherr in Pension sein – und das Tablet doch noch am Markt.

E-Mails an:antonia.loeffler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.