Frankfurt hängt London ab

Lukrativer Markt: Den 21-geschoßigen Wohntower Cascada im Europaviertel von Frankfurt hat der Projektentwickler 6B47 im Dezember verkauft.
Lukrativer Markt: Den 21-geschoßigen Wohntower Cascada im Europaviertel von Frankfurt hat der Projektentwickler 6B47 im Dezember verkauft.(c) 6B47
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Bei den Investoren liegt Frankfurt am Main derzeit in der Gunst vor London. Welche Auswirkungen der Brexit in beiden Bankenmetropolen haben wird, bleibt aber abzuwarten.

Der Brexit wird die Immobilienpreise heuer in Deutschland so stark anheizen wie nirgendwo sonst in Europa. Dieser Meinung sind zumindest jene 800 Immobilienexperten in 22 Ländern, die für die jährliche „Emerging Trends in Real Estate“-Studie von PwC und Urban Land Institute befragt wurden. Demnach liegen aus Investorensicht vier der fünf attraktivsten europäischen Immobilienstandorte in Deutschland: Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main und München. Dagegen stürzt der langjährige Hotspot London auf Platz 27 unter 30 untersuchten europäischen Städten ab. „Mit dem bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU beginnt eine neue Zeitrechnung auf dem europäischen Immobilienmarkt“, sagt Susanne Eickermann-Riepe, Partnerin und German Real Estate Leader bei PwC. „Wir beobachten momentan sogar, dass Investorengelder, die eigentlich für den britischen Markt eingeworben wurden, stattdessen in deutsche Städte fließen.“

Überschaubarer Schaden

Laut einer Erhebung von Savills fielen in den ersten sechs Monaten 2016 die Investmentumsätze bei Gewerbeimmobilien in London um mehr als ein Drittel auf 23 Milliarden Pfund. Die Vermietungsumsätze in der City gingen um mehr als 30 Prozent zurück. Das allein auf den Brexit zu schieben, wäre allerdings falsch, heißt es. Die weiteren Folgen für Londons Immobilienmarkt dürften sich in Grenzen halten, sofern der Brexit einigermaßen ruhig über die Bühne geht. Allerdings könnten die Kaufpreise für Büros um fünf bis zehn Prozent sinken.

Das bestätigen auch die Experten bei BNP Paribas Real Estate in ihrer „Cycology“-Studie. Hier werden Analysen vergangener Marktzyklen und Prognosen mit der Stimmung unter britischen Branchenführern beziehungsweise Investoren verknüpft. Demnach wird nicht mit deutlichen Wertverlusten auf dem britischen Immobilienmarkt infolge des Brexit gerechnet. Die Begründung: Das Investmentvolumen wird durch Wechselkursveränderungen und Londons Status als sicherer Hafen gestützt. Entwarnung gibt auch Thomas Beyerle, Head of Research bei der Immobiliengesellschaft Catella. „London ist in Europa traditionell der volatilste Markt, der schnell auf Ereignisse reagiert – im Positiven wie Negativen. Den Brexit-Effekt steckt die Stadt sicherlich weg.“

Ein Blick auf den vermeintlichen Brexit-Profiteur Frankfurt hingegen zeigt: Grund zum Klagen gibt es schon heute nicht. Das Transaktionsvolumen lag laut Frühjahrsgutachten im Vorjahr bei rund 6,4 Milliarden Euro und damit 6,7 Prozent über dem Jahr 2015. Größter Treiber war der Büroimmobilienmarkt. Nahezu jeder zweite investierte Euro floss in diese Assetklasse. Auch 2017 soll sich diese Entwicklung fortsetzen. Ob der Brexit den Markt zusätzlich beflügelt, ist ungewiss. Beyerle ist skeptisch. „Ehrlich gesagt ist das aktuelle Hoffen, ein Profiteur des Brexit zu sein, immer noch ein Hoffen. Konkrete Pläne gibt es bisher nur sehr vage. Allerdings erwarten wir bis Mitte April Ankündigungen der ,Großen‘ – und dann kann es schnell gehen.

Unabhängig davon stellt Peter Ulm, CEO der Projektentwickler 6B47 mit Sitz in Wien, dem Frankfurter Immobilienmarkt ein gutes Zeugnis aus. „Der Markt ist definitiv attraktiv und braucht nicht zwingend den Brexit. Die unmittelbaren Auswirkungen würde man ohnehin erst frühestens in zwei, drei Jahren merken“, sagt er. Ulm bedauert, dass seine 6B47 derzeit kein Büroprojekt in der Bankenmetropole in Aussicht hat. „Wir würden jederzeit wieder in den Markt gehen, wenn sich innerstädtisch etwas anbietet.“ Die Fühler sind längst ausgestreckt. Doch leistbare Grundstücke in guten Lagen sind rar. „Mit einem neuen Büroprojekt braucht man sich um die Vermietung keine Sorgen machen“, sagt Ulm.

Auch der Wohnimmobilienmarkt läuft auf Hochtouren. Eine neue Eigentumswohnung kostete 2016 im Schnitt 4940 Euro pro Quadratmeter – dreizehn Prozent mehr als 2015. Wer in ein neu gebautes Wohnhochhaus – rund 20 sollen in den nächsten fünf Jahren entstehen – ziehen will, muss im Eigentum knapp 7000 Euro pro Quadratmeter auf den Tisch legen. „Das ist schon ziemlich am Limit“, sagt Ulm, der auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt bereits einige Projekte realisiert hat.

Neue Lagen gesucht

Im April 2015 wurden gleich vier mit einem Gesamtvolumen von rund 250 Millionen Euro verkauft. Zuletzt wechselte Ende 2016 der Wohntower Cascada im Europaviertel den Besitzer. „Wir verfolgen die Politik weg von etablierten Lagen, hin zu Zukunftslagen“, sagt Ulm. 2013 erwarb das Unternehmen ein Grundstück in der Bürostadt Niederrad. Im Sommer 2017 ist Baustart für das Wohnprojekt Green Gate, das an der Stelle der ehemaligen Woolworth-Zentrale errichtet wird. „Vor drei Jahren war das schon mutig hierherzugehen. Mittlerweile kosten Grundstücke in vergleichbarer Lage das Doppelte“, sagt Ulm, der sich als Frankfurt-Fan outet und längst Lust auf mehr hat. „Zwei, drei neue Projekte sind intensiv in der Vorbereitung.“

STUDIE

Um in einem sicheren Hafen zu investieren werden magere Zinsen und immer höhere Preise in Kauf genommen, zeigt die Studie „Emerging Trends in Real Estate“ von PwC und Urban Land Institute (ULI). Zwei Drittel der Befragten sagten, dass Toprenditen auf dem europäischen Immobilienmarkt nur noch schwer zu erreichen seien. 35 Prozent der befragten Investoren gehen davon aus, dass die Renditen im kommenden Jahr sinken werden – 16 Prozent erwarten das Gegenteil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2017)

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