Europa/Japan: Die Achse des freien Handels

Die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, und der japanische Premier Shinzō Abe.
Die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, und der japanische Premier Shinzō Abe.(c) APA/AFP/PETER STEFFEN
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Da in den USA der Protektionismus im Aufwind ist, wollen Europa und Japan stärker zusammenrücken. Ein neues Freihandelsabkommen soll als Vorbild für die Welt dienen.

Wien. Diesmal gab es wieder einen Handschlag. Und nicht nur das. Zur ersten Begrüßung am Sonntagabend umarmten sich die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, und der japanische Premier Shinzō Abe sogar kurz. Schon diese Äußerlichkeiten beim Zusammentreffen anlässlich der diesjährigen Elektronikmesse Cebit in Hannover zeigten einen massiven Unterschied zum Treffen von Merkel mit US-Präsident Donald Trump wenige Tage zuvor. Trump hatte der deutschen Regierungschefin im Weißen Haus ja sogar den traditionellen Handschlag verweigert.

Aber auch inhaltlich stehen sich Berlin und Tokio inzwischen deutlich näher als Berlin und Washington. Vor allem, wenn es um das Thema Freihandel geht. „Wir wollen freie und offene Märkte. Wir wollen natürlich fairen Handel, aber wir wollen keine Barrieren aufbauen“, so Merkel. Ohne Trump oder die USA konkret zu erwähnen hielt sie einen flammenden Appell für Freihandel und gegen die neue protektionistische Politik des US-Präsidenten.

Von Abe wurde sie dabei sekundiert. „Die EU und Japan müssen die Flagge des Freihandels hochhalten“, so der japanische Premier. Man müsse gemeinsam versuchen, die USA – etwa im Rahmen der G7 – davon zu überzeugen, den bisherigen Werten treu zu bleiben.

Japan von Trump kalt erwischt

Das neue Zusammenrücken von Deutschland und Japan zur „Achse des freien Handels“ hängt mit den Entwicklungen der vergangenen Wochen zusammen. Zuerst wurde Japan durch die Aufkündigung des bereits fertigen pazifischen Freihandelsabkommens TPP durch Trump kalt erwischt. Danach setzte es regelmäßig protektionistische Drohungen aus Washington an Berlin aufgrund des deutschen Leistungsbilanzüberschusses. Diese Kritik wurde am Montag von den deutschen Wirtschaftsweisen anlässlich ihrer BIP-Prognose wieder einmal zurückgewiesen. Die deutsche Wirtschaft sei nicht verpflichtet, sich schlechter zu machen, als sie sei.

Den Worten sollen jedoch auch Taten folgen, zeigten sich Merkel und Abe einig. Konkret solle das seit 2013 in Verhandlung befindliche Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan so schnell wie möglich zum Abschluss kommen. Eine Ratifizierung wäre theoretisch bereits heuer möglich. Allerdings mussten Merkel und Abe auch eingestehen, dass es zwischen Europa und Japan in einigen wichtigen Fragen noch Uneinigkeit gibt. So steht Japan nach wie vor einer Öffnung des eigenen Marktes für landwirtschaftliche Produkte aus Europa skeptisch gegenüber. Die EU wiederum will nur ungern von ihrem zehnprozentigen Zoll auf japanische Autos abrücken.

Von Ökonomen wird das Abkommen jedoch befürwortet, da es in Summe für beide Seiten positive Einflüsse auf Handel und Wachstum hätte, wie eine am Montag veröffentlichte Studie des Münchner Ifo-Instituts im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zeigt. Die Forscher haben dabei zwei Szenarien entwickelt. Im ersten gehen sie von einer Öffnung äquivalent zum bereits geschlossenen Abkommen mit Südkorea aus. Dieses „konservative Szenario“ würde für die EU langfristig ein zusätzliches Wachstum von 0,06 Prozent bringen. Für Österreich wird der Effekt mit 0,05 Prozent oder 185 Mio. Euro angegeben.

Daneben gibt es noch das „ambitioniertere Szenario“. Bei diesem werden auch die nicht tarifären Handelshemmnisse (etwa unterschiedliche Normen) entsprechend dem Durchschnitt aller existierenden Freihandelsabkommen reduziert. Hier wäre der Effekt mit 0,29 Prozent realem BIP-Wachstum deutlich höher. Für die heimische Volkswirtschaft brächte das laut Ifo ein Plus von 0,34 Prozent – also rund 1,1 Mrd. Euro. Und auch der Handel mit dem sechstgrößten Handelspartner der EU würde kräftig zulegen: Die europäischen Exporte würden demnach um 146 Prozent, die Importe um 158 Prozent steigen.

„Alternative zu China“

Noch wesentlich wichtiger als die direkten Wachstumseffekte wäre jedoch die strategische Komponente, so die Forscher. „Ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und der zweitgrößten asiatischen Volkswirtschaft wäre ein wichtiges politisches Signal an andere asiatische Länder: Während sich die USA zurückziehen, verstärkt die EU ihr Engagement und zeigt, dass es nach wie vor Alternativen zu China gibt.“

Die Frage sei allerdings, ob der politische Wille sowohl bei den verantwortlichen Politikern als auch bei der Bevölkerung wirklich groß genug dafür sei, so die Studienautoren weiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2017)

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