Chef der Donau-Versicherung: „Digitale Berater? Höchst gefährlich!“

Für Donau-Chef Peter Thirring wird die Digitalisierung zu stark gehypt. Den Kontakt zum Kunden will er nicht reduzieren.
Für Donau-Chef Peter Thirring wird die Digitalisierung zu stark gehypt. Den Kontakt zum Kunden will er nicht reduzieren.(c) Clemens Fabry
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Peter Thirring, Chef der Donau-Versicherung, über den Trend zu Online-Polizzen, mangelndes Risikobewusstsein und warum die Lebensversicherung für ihn kein Dinosaurier ist.

Die Presse: Auch in der Versicherungswirtschaft findet eine Konzentration statt. Wird es da nicht schwierig für Unternehmen wie die Donau-Versicherung?

Peter Thirring: In Österreich gibt es einen sehr hohen Anteil an internationalen Konzernen. Diese großen Player haben eine europäische Strategie, die keinerlei Rücksicht auf lokale Bedürfnisse nimmt. Wir gehen ganz bewusst einen anderen Weg, als hundertprozentig österreichisches Unternehmen mit starker regionaler Verwurzelung. Wir scheren nicht alles über einen Kamm.

Ist ein regionaler Maßanzug beim Versicherungsgeschäft überhaupt gefragt?

Den Menschen ist das sogar ein Bedürfnis. Natürlich gibt es auch Kunden, denen das egal ist. Unseren Kunden ist der persönliche Ansprechpartner wichtig.

Digitalisierung spielt also für die Donau keine Rolle?

Natürlich findet auch bei uns eine Digitalisierung statt. Aber die zielt nicht darauf ab, dass wir den Kontakt zu den Kunden reduzieren.

Sind da andere Versicherungen vielleicht etwas zu forsch beim Thema Digitalisierung?

Es gibt Mitbewerber, die viel stärker darauf setzen. Ob es zu stark ist, möchte ich nicht beurteilen. Es gibt schließlich auch eine Kundenschicht, die man so perfekt betreuen kann. Aber generell wird das Thema schon etwas zu stark gehypt. Bei jeder Analystenkonferenz muss man die Digitalisierung betonen, sonst ist man ja gleich unten durch.

Aber der Trend geht doch zum digitalen Berater.

Das ist eine höchst gefährliche Entwicklung. Man lässt den Kunden quasi sich selbst versichern. Aber ich finde es eine Fehlentwicklung, wenn ein Kunde selbst die Verantwortung übernehmen muss, für seine Sicherheit zu sorgen. In der Regel haben die Kunden nämlich nicht das Know-how. Wer ist denn in der Lage, sich richtig selbst zu versichern?

Die Menschen betreiben ja auch Online-Banking oder buchen ihren Urlaub im Internet.

Buche ich einen Urlaub selbst, entspricht schlimmstenfalls der Urlaub nicht den Erwartungen. Wenn jemand aber falsch versichert ist, kann das existenzgefährdend sein. Generell ist das Wissen über Versicherung in der Gesellschaft erschreckend gering. Ich finde das genauso unverantwortlich wie die Selbstmedikation durch Dr. Google. Auch da sollte man lieber zum Arzt gehen.

Wie schaut es mit dem Sicherheitsbedürfnis aus? Werden die Menschen versicherungsfaul?

Das ist unterschiedlich. Das Auto ist natürlich traditionell gut versichert. Hingegen hinken wir in Österreich bei den Personenversicherungen nach. Bei der Unfall-, Berufsunfähigkeits- oder Pflegeversicherung gibt es Lücken.

Die Donau bietet ja auch eine Krebsversicherung an.

Ja, wir zahlen, wenn eine Krebserkrankung diagnostiziert wird. Schließlich braucht man gerade nach einer schweren Erkrankung Geld.

Wo fehlt das Risikobewusstsein?

Haben Sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung?

Nein, habe ich nicht.

Das ist ein klassisches Beispiel. Es herrscht nämlich der Irrglaube, dass dann der Staat ausreichend leistet. Der Staat zahlt aber nur einen Minimalbetrag. Viele stehen bei einer Berufsunfähigkeit aufgrund von Krankheit vor existenziellen Problemen.

Wie schaut es mit der Pflegeversicherung aus?

Das Thema Pflege schiebt jeder vor sich her. Aber wer weiß heute, wie die Pflege in Zukunft finanziert werden wird?

Gibt es darüber auch Gespräche mit der Politik?

Natürlich gibt es die. Das ist ein großes Zukunftsthema, bei dem die privaten Versicherungen sicher eine wichtige Rolle spielen können. Aber natürlich muss die Basisabdeckung vom Staat kommen.

Ist der Sozialstaat für Versicherungen ein Konkurrent?

Das sehe ich nicht so. Die private Versicherung kann vielmehr eine gute Ergänzung zum Staat sein. Der Sozialstaat kann schließlich auch nicht alles zahlen.

Im Unterschied zu den Versicherungen freut sich der Staat aber über die niedrigen Zinsen.

Für uns ist das niedrige Zinsniveau natürlich ein Problem, besonders in der Lebensversicherung. Wir bieten ja weiterhin die klassische Lebensversicherung an, weil eine Garantie für den Kunden wichtig ist. Wenn jemand heute eine Lebensversicherung als Pensionsvorsorge abschließt, dann kauft er damit ja bewusst keinen Fonds. Der Durchschnittsbürger möchte monatlich einzahlen und am Ende einen Einmalbetrag oder eine Rente herausbekommen. Er will sich nicht um die Veranlagung kümmern. Deshalb schließt er schließlich eine Versicherung ab. Sonst würde er Aktien kaufen.

Auch die immer strengeren regulatorischen Vorschriften machen den Versicherungen zu schaffen.

Ja. Wir sind zu einer sehr hohen Eigenmittelunterlegung gezwungen, und das führt zu sehr geringen Renditen. Aber wenn die Zinsen wieder steigen, reduziert sich dieses Problem.

Derzeit gilt die Lebensversicherung als Dinosaurier im Vergleich zu anderen Produkten.

Aber ich wehre mich gegen diese Vergleiche. Denn welches dieser anderen Produkte kann Ihnen eine lebenslange Rente zahlen, gibt Ihnen die Sicherheit, dass Sie am Ende das Geld wieder herausbekommen? Wir verkaufen mit der Lebensversicherung keine Rendite, sondern Absicherung. Wir sorgen dafür, dass die Menschen ruhig schlafen können, auch wenn sie 117 Jahre alt werden, wie jüngst die älteste Frau der Welt.

ZUR PERSON

Peter Thirring wurde 1957 in Seattle geboren. Er studierte Jus in Wien und arbeitete 30 Jahre bei der Generali-Versicherung, zuletzt als Vorstandsvorsitzender in Österreich. Im November 2015 trat er zurück. Vor einem Jahr übernahm er den Chefposten bei der Donau-Versicherung, einer Tochter der VIG (Vienna Insurance Group).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2017)

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