Industrie löst neuen Streit über Arbeitszeitflexibilisierung aus

Georg Kapsch
Georg Kapsch(c) Clemens Fabry
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Die IV glaubt nicht so recht, dass die Sozialpartner sich auf flexiblere Arbeitszeiten einigen können – und hofft auf die Regierung.

Wien. Die Sozialpartner verhandeln gerade eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Dass das zu einem Erfolg führt, will Georg Kapsch, der Präsident der Industriellenvereinigung, aber nicht so recht glauben. „Es ist schade, dass die Sozialpartner sich dieses Thema unter den Nagel gerissen haben. Ende Juni werden wir sehen, ob die Regierung ihr Wort hält und selbst entscheidet, wenn es zu keiner Einigung kommt. Das wird eine Nagelprobe, wie mutig und umsetzungsstark die Regierung ist.“ Der Vollständigkeit halber: Die IV ist selbst kein Teil der Sozialpartner, sitzt also nicht am Tisch.

Das Interesse der Industrievertreter an einer Neuregelung der Arbeitszeiten ist allerdings sehr hoch. Es dürfe jetzt nicht zu einem Abtausch, einem Kuhhandel kommen, so Kapsch. Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten würde allen etwas bringen – Arbeitgebern wie Arbeitnehmern – und niemanden etwas kosten. Die Hauptforderung der IV: „Ein Zwölfstundentag bei Gleitzeit – im Schichtbetrieb braucht man das nicht, das haben wir auch nie verlangt“, so Kapsch. Die Forderung sei im Vergleich der Möglichkeiten der europäischen Arbeitszeitrichtlinie relativ harmlos, so der IV-Präsident. „Wir wollen nicht die Wochenarbeitszeit verlängern. Aber wir brauchen die Flexibilität, wenn sie nötig ist“, sagte Veit Schmid-Schmidsfelden, Obmann-Stellvertreter der Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und IV-Vorsitzender für Arbeit und Soziales. Er erzählt von einem heimischen Betrieb, der an einem Freitag einen Auftrag aus den USA erhalten hätte: „Die Antwort aus Österreich war: ,Das geht nicht, es ist ja Wochenende.‘ Darauf die Kalifornier: ,Please use your weekend‘ – mit Smiley.“

Einen solchen konnten sich die Industrievertreter von jenen der Arbeitnehmer nach ihrer Kritik an den Sozialpartnern am Donnerstag freilich nicht erwarten. „Die Vorstellungen der Industriellenvereinigung nach mehr Flexibilisierung können für die betroffenen Beschäftigten Eingriffe in die Planung von Familien- und Freizeitleben bedeuten sowie finanzielle Einbußen nach sich ziehen“, so Rudolf Kaske, der Präsident der Arbeiterkammer. „Sollte die Industriellenvereinigung doch noch im 21. Jahrhundert ankommen und sich bereit erklären, über Arbeitszeitverkürzung und die 6. Urlaubswoche zu diskutieren, dann könnten wir von einer Flexibilisierung sprechen, von der auch die Beschäftigten profitieren“, sagte der Leitende Sekretär des ÖGB, Bernhard Achitz. (ag./jil)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2017)

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