Hannes Androsch: "Der Leidensdruck ist nicht groß genug"

c Clemens Fabry
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Der Industrielle Androsch geht mit der Regierung hart ins Gericht: Er kritisiert mangelnden Reformwillen in vielen Bereichen. Mit steigenden Zinsen rolle auf das Budget eine Lawine zu.

Steuern, Arbeitskosten, Bürokratie, Gesundheit, Bildung: Die „Lieblingsthemen“ des früheren SPÖ-Finanzministers und nunmehrigen Industriellen Hannes Androsch bleiben. Und auch seine harsche Kritik am Reformunwillen der Regierung – der gerade in Auflösung begriffenen genauso wie der vorigen.

Er gibt sich auch nicht der Illusion hin, dass im nunmehrigen Wahlkampf Themen wie die Bildungs- und die Gesundheitsreform, wo „seit Jahrzehnten nichts auf den Weg gebracht wurde“, abgearbeitet werden. Nicht nur im Bildungssystem, das angesichts der Digitalisierung vor einer extremen Herausforderung stehe, seien die Verhinderungskräfte stärker als die Gestaltungskräfte.

„Offenbar ist der Leidensdruck noch nicht groß genug“, lautete die wenig optimistische Diagnose von Androsch am Mittwoch im Klub der Wirtschaftspublizisten. Der Grund: die anziehende Konjunktur vermittle den – trügerischen – Eindruck, „dass es uns sehr gut geht“. Daher werde sich auch nichts ändern.

Erdrückende Pensionslast

Androsch warnte gleich vor zwei Damoklesschwertern, die über dem österreichischen Budget hängen: Ein bevorstehender Zinsanstieg und die staatlichen Pensionszuschüsse. Schon heute flössen 25 Prozent der Budgetausgaben in die Pensionen. Mit steigender Lebenserwartung und dem nach wie vor zu niedrigen Pensionsantrittsalter steige dieses Last. Das Budget sei schon jetzt überbelastet. Es drohe weiter aus dem Ruder zu laufen, wenn die Zinsen wieder steigen. In den USA habe der Anstieg schon begonnen, in Europa werde das auch passieren. Damit werde sich der Zinsaufwand á lá longue verdoppeln.

Androsch sieht keine Regierungs-Konstellation, die den Reformstau auflösen könnte. „Die Gravitationszentren der Entscheidungen liegen ja längst nicht mehr bei der Regierung und dem Parlament, sondern bei Ländern und Sozialpartnern.“ Letztere bezeichnete er als „Sozialverhinderungspartner“. Und rot-blau? „Abgrenzen ja, ausgrenzen nein“, verwies Androsch auf Kreisky und Benya. (eid)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 1.6.2017)

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