Nowotny stellt Höhe des EZB-Inflationsziels in Frage

APA/GEORG HOCHMUT
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Der österreichische Notenbankgouverneur und EZB-Rat Ewald Nowotny stellt angesichts niedriger Teuerungsraten das Inflationsziel der Europäischen Zentralbank zur Diskussion.

Die Euro-Währungshüter peilen knapp 2 Prozent Inflation als Idealwert für die Wirtschaftsentwicklung im Euroraum an. Laut Nowotny wird die EZB kommende Woche eine neue Konjunkturprognose für den Euroraum herausgeben. Offensichtlich habe sich die ökonomische Situation in Europa deutlich verbessert. Interessanterweise wirke sich das nicht in steigenden Preisen aus, sagte Nowotny in einer Diskussion bei der Verleihung des Wiener Börsenpreises in Wien. Die knapp 2 Prozent Inflationsrate "erreichen wir nicht".

Laut Nowotny wird sich deshalb ein wenig die Frage stellen, "ob das noch ein sehr realistisches Ziel" sei oder ob man in einer Welt lebe, "wo wir langfristig mit niedrigeren Inflationsraten rechnen können".

Zur konkreten Zinspolitik befragt äußerte sich Nowotny nicht. Fest steht für ihn, dass Negativzinsen kein Normalzustand seien. Je früher man davon wegkomme, umso besser. Bevor sich an den Zinsen etwas ändere, werde in einem ersten Schritt wohl der Aufkauf von Staatsanleihen zurückgefahren werden.

"Frankfurt massiv  unterwegs"

Nowotny warnt davor, die Gefahren zu unterschätzen, die mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit) verbunden sind - für die Briten wie für die Europäer. Es könne noch einiges an Verwerfungen geben. "Was gerade für den Finanzplatz London problematisch ist: Sehr viele Banken überlegen, ihre Aktivitäten in den Euroraum zu verlegen."

Bei einer Börsenveranstaltung in Wien merkte Nowotny am Mittwochabend an, dass sich gerade in London die Sicht auf Österreich und auf die Banken hier dramatisch verbessert habe. Der Hypo-Alpe-Adria-Komplex habe hier ja wie eine dunkle Wolke gewirkt.

Hoffnungen auf einen Zuzug der jetzt noch in London ansässigen Europäischen Bankenaufsicht (EBA) nach Wien nährte Nowotny nicht. "Wir haben uns darum bemüht", sagte er, aber man solle die Chancen nicht überschätzen. Frankfurt sei da massiv unterwegs. Das Hauptinteresse der österreichischen Regierung gelte ja einer größeren Agentur, der Arzneimittelagentur.

Sorgen wegen des Brexit hat Nowotny vor allem wegen des Zeitdrucks. Die Verhandlungen mit London sollen nach jetzigen Verträgen innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen sein. Das sei ein enormes Zeitproblem. Es wäre zwar möglich, um ein Jahr zu verlängern, der Notenbanker sieht indes auch die Gefahr, dass ein "vertragsloser Zustand" entsteht. "Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass man zuschaut, wie die Dinge ins Chaos gleiten. Man wird schon was finden." Aber sehr beruhigend sei das nicht.

Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) meinte, wenn Großbritannien so weitermache, dann werde es zu "Little England" schrumpfen. Er sei sich nicht sicher, dass am Ende der Verhandlungen die Bedingungen so sein werden, dass das Vereinigte Königreich wirklich austritt.

(APA)

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