Sonntagsöffnung: "Die Großen profitieren"

Karstadt und Kaufhof
Karstadt und KaufhofAPA/dpa/Matthias Balk
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Die großen deutschen Kaufhäuser fordern eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten. Deutschlands Gewerkschaften und Kirchen legen sich quer. Kritik kommt aber auch aus den eigenen Reihen.

In Deutschland gewinnt die jahrzehntealte Debatte über die Sonntagsöffnung im Handel an neuem Schwung. Auslöser ist die von den großen Kaufhäusern Karstadt und Kaufhof jüngst gegründete Initiative "Selbstbestimmter Sonntag". Unterstüzung erhalten sie unter anderem von der FDP. "Der Handel braucht gegenüber der Online-Konkurrenz faire Bedingungen, sonst sterben die Innenstädte", sagte Parteichef Christian Lindner vor Kurzem gegenüber der "Bild am Sonntag". Der Schritt schaffe zudem zusätzliche Arbeitsplätze.

Gewerkschaften und Kirchen sehen das anders. In gemeinsamen Prozessen drängen sie die umstrittene Praxis zurück. Und auch nicht alle deutschen Handelsketten sind für offene Geschäfte sieben Tage die Woche. Erich Harsch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Drogeriekette dm, sagte der "Bild am Sonntag" Anfang Juni: "Ich sehe keinen Anlass oder die Notwendigkeit einer bundesweit einheitlichen Regelung." Auch die Drogeriekette Rossmann ließ wissen, man sei "mit der aktuellen Situation zufrieden". Verkaufsoffene Sonntage würden nicht flächendeckend zu höheren Umsätzen führen. Albrecht Hornbach, Vorstandsvorsitzender der gleichnamigen Baumarkt-Kette, warnte vor überzogenen Erwartungen an zusätzliche Sonntagsöffnungen.

"Kleine Händler mit größten Problemen"

Nun hat sich auch der Handelsexperte Kai Hudetz in die Debatte eingeschaltet. Von einer möglichen Freigabe der Sonntagsöffnung in Deutschland würden nach seinen Einschätzungen vor allem die großen Handelsketten profitieren. "Kleine Händler könnten die größten Probleme bekommen", sagte der Geschäftsführer des Kölner Handelsforschungsinstituts IFH.

Nicht ohne Grund sei der Anstoß zu einer neuerlichen Debatte über eine Freigabe der Sonntagsöffnung von den großen Kauf- und Warenhäusern gekommen. Auch wenn es zu einer Freigabe käme, würden sich nach Einschätzung von Hudetz längst nicht alle deutschen Einzelhändler an einer solchen Initiative beteiligen. Für viele Läden vor allem in den Vororten sei eine Sonntagsöffnung schlicht nicht wirtschaftlich.

Ein großes Problem für die Kunden seien jedoch uneinheitliche Öffnungszeiten. Das ist durch die zersplitterte deutsche Rechtslage bedingt: Seit 2006 ist die Sonntagsöffnung Ländersache - und entsprechend unterschiedlich ist ihre Umsetzung in den 16 deutschen Bundesländern.

Gesamtwirtschaftlicher Effekt "überschätzt"

Der gesamtwirtschaftliche Effekt einer Öffnung am Sonntag in Deutschland werde zudem überschätzt, sagt Hudetz. "Die Frage ist, kommt der an Online verloren gegangenen Umsatz zurück? Ich fürchte, in vielen Fällen ist das nicht der Fall." Die Initiatoren der Aktion "Selbstbestimmter Sonntag" hatten vor allem mit dem Kampf des stationären Einzelhandels in den deutschen Innenstädten gegen den boomenden Onlinehandel argumentiert.

Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, wies darauf hin, dass - trotz bestehender Regelungen zu Sonntagsöffnungen - Klagen der Gewerkshaft Verdi eine Öffnung der Läden zu diesen Terminen "de facto" derzeit unmöglich machten. "Das schadet unseren Unternehmen, den Mitarbeitern und den Innenstädten, die mit rückläufigen Besucherfrequenzen kämpfen", sagte Genth. Der HDE setzt sich derzeit dafür ein, die je nach Bundesland unterschiedliche Gesetzeslage zur Sonntagsöffnung auch in der Praxis umzusetzen.

(APA/dpa/red)

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