Euro springt nach Draghi-Rede auf Jahreshoch

EZB-Chef Mario Draghi.
EZB-Chef Mario Draghi. (c) REUTERS (Rafael Marchante)
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Nach einer Rede von EZB-Chef Draghi meinten Ökonomen, dass die EZB schon im Spätsommer die Weichen für einen Kurswechsel stellen könnte. Doch kurz danach hieß es, Draghi sei missverstanden worden.

Wien. Vor zehn Jahren hat die Finanz- und Wirtschaftskrise begonnen. Als Krisenfeuerwehr sprang die Europäische Zentralbank (EZB) ein. Sie senkte die Leitzinsen auf ein Rekordtief. Zusätzlich kaufte sie Anleihen in Milliardenhöhe auf, um die Konjunktur anzukurbeln. Mittlerweile hat sich die Wirtschaft in vielen europäischen Ländern erholt. Daher warten nun viele Experten darauf, dass die Europäische Zentralbank langsam die Krisenmaßnahmen zurücknimmt.

Für entsprechende Nervosität an den Finanzmärkten sorgten nun Äußerungen von EZB-Chef Mario Draghi auf einer Notenbanktagung in Portugal. Zunächst gab sich Draghi zuversichtlich für das Wachstum im Euroraum. Im Vergleich zu früher zeigte er sich auch optimistischer, dass die Notenbank ihr Inflationsziel von knapp zwei Prozent wieder erreichen könne. Die für viele überraschenden Aussagen zur Inflation ließen die Finanzexperten aufhorchen. Denn die lange Zeit schwache Inflation war ein Hauptgrund für die extrem lockere Geldpolitik der EZB.

Laut Marco Valli, Chefvolkswirt für Europa bei der Großbank UniCredit, habe Draghi damit einen ersten Schritt in Richtung einer weniger lockeren Geldpolitik getan. Andere Bankökonomen meinten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass die EZB bereits im Spätsommer die Weichen für einen Kurswechsel stellen könnte. Die Reaktion der Finanzmärkte auf die Rede von Draghi waren mehr als deutlich: Der Euro erreichte am Mittwoch zeitweise den höchsten Stand seit einem Jahr. Konkret kletterte die Gemeinschaftswährung bis auf 1,1379 US-Dollar. Zugleich erschreckte Draghi viele Aktienanleger. Viele europäische Börsen notierten am Mittwoch schwächer. Denn das billige Geld der EZB und anderer Notenbanken hatte in den vergangenen Jahren zu einem Höhenflug an den Börsen geführt. In zahlreichen Ländern waren auch die Preise für Immobilien gestiegen.

Sollte die EZB die Geldschwemme tatsächlich zurückfahren, ist ein Kursrückgang an den Börsen nicht auszuschließen.

Börsianer sind verärgert

Die heftigen Reaktionen der Finanzmärkte auf die Draghi-Rede dürften die EZB überrascht haben. Zwar wurde keine Presseaussendung verschickt, doch mehrere Notenbanker erklärten am Mittwochnachmittag hinter vorgehaltener Hand, dass sich Draghi missverstanden fühlt. Die Rede habe kein Signal für einen Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik geliefert, hieß es. Seine Aussagen in Portugal seien als ausgewogenes Statement gedacht gewesen, das einerseits das solide Wachstum im Euroraum und andererseits die Notwendigkeit einer weiteren geldpolitischen Unterstützung herausheben sollte, zitierte die Nachrichtenagentur Bloomberg mehrere mit der Sache vertraute Personen.

Der Bloomberg-Bericht sorgte für steigende Aktienkurse. Gleichzeitig gab der Euro binnen weniger Minuten spürbar nach. Auch die Renditen europäischer Staatsanleihen gingen zurück.

Aktienanleger und andere Börsianer sind über die Vorgänge mehr als verärgert. Da sei etwas schiefgelaufen in der Kommunikation der Europäischen Zentralbank. Draghi habe wieder einmal Verwirrung gestiftet, hieß es. Viel besser kommuniziert hingegen die US-Notenbank Fed. So bekräftigte US-Notenbank-Chefin Janet Yellen jüngst auf einer Veranstaltung in London, dass die Fed den Leitzins weiterhin nur schrittweise anheben werde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2017)

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