Wenn Amazon plötzlich 400 Milliarden verliert

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Amazon(c) REUTERS (PASCAL ROSSIGNOL)
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Wieder erschütterte eine Panne die US-Börse. Testdaten landeten irrtümlich bei Bloomberg, Reuters und Co.

Der Mensch ist zu langsam und zu teuer. Das gilt nirgendwo so sehr wie an den Finanzmärkten. Wo in Millisekunden Milliardentransaktionen durchgeführt werden, müssen Kurse und Daten natürlich vollautomatisch publiziert werden. Und in 99,9 Prozent der Fälle sind Maschinen nicht nur schneller, sondern gründlicher als der Mensch. Tippfehler ausgeschlossen – quasi.

Wenn so ein Computer aber einmal patzt, dann ordentlich. So geschehen vergangenen Montagabend (Ortszeit) an der New Yorker Börse. Dort kam es an der Tech-Börse Nasdaq nach Handelsschluss zu ganz komischen Kursentwicklungen. Plötzlich hatten nämlich die Aktien von Amazon, Apple, Microsoft oder Zynga exakt denselben Kurs. Alle Papiere notierten mit 123,47 Dollar. Mit einem Mal war also eine Microsoft-Aktie um fast 80 Prozent mehr wert, lag der Börsenwert plötzlich bei einer Billion Dollar. Andererseits hätte dies bedeutet, dass der Kurs von Amazon von 950 auf 123,47 Dollar geschrumpft ist. Binnen einer Sekunde hätte der Konzern 400 Milliarden an Marktwert verloren.

Das Ganze stellte sich schnell als monströse Panne heraus. Eine Panne, die aber zum Glück keine dramatischen Folgen hatte. Zum Zeitpunkt der falschen Kursbewegung hatten alle wichtigen Börsen geschlossen, nur in Tokio dürften einige Broker vorbörslich schneller als sonst zu ihren Blutdruckmitteln gegriffen haben.

Normalerweise führt eine derartige Computerpanne nämlich zu einer Kettenreaktion und zu massiven Reaktionen an den Börsen. Diesmal war dies zum Glück nicht der Fall. Lediglich in Fernost sei es zu wenigen Deals gekommen, die aber allesamt rückabgewickelt wurden.

Denn laut Informationen der „Financial Times“ war der Fehler auf der offiziellen Website der Nasdaq nicht zu sehen gewesen. Irrtümlicherweise hätten die automatischen Systeme der Finanzdienstleister Bloomberg, Reuters und Co. auf Testdaten zugegriffen. Die Zahlenkombination 123,47 signalisiert lediglich, dass an der Nasdaq Handelsschluss ist. Dennoch gelangten die Daten versehentlich in den Live-Handel.

Bei den Anbietern herrscht betretenes Schweigen. In der Finanzbranche rätselt man ob der vielen Pannen. Erst vor wenigen Tagen brach der Goldpreis innerhalb von Minuten um 1,5 Prozent ein. Experten führen dies auf einen sogenannten Fat-Finger zurück. Eine falsche Eingabe durch einen Börsenhändler. Wie gesagt: Meist ist am Ende dann doch der Mensch die Wurzel alles Bösen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2017)

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