Japan-Abkommen: EU macht Tempo bei Freihandel

Donald Tusk und Shinzō Abe.
Donald Tusk und Shinzō Abe.(c) REUTERS (YVES HERMAN)
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Der neue Isolationismus der USA und der Brexit haben die Europäische Union und Japan zu ihrem ersten Wirtschaftsabkommen angespornt. Und Brüssel plant schon weitere Handelsverträge.

Brüssel. Japanische Liebhaber von Champagner aus Frankreich, Mozzarella aus Italien oder Speck aus Tirol dürfen sich freuen: Sobald das in der Nacht auf Donnerstag in Grundzügen festgelegte Wirtschaftsabkommen zwischen der Europäischen Union und Japan in Kraft tritt, werden diese Lebensmittel, die derzeit noch mit Zöllen von bis zu 15 Prozent und komplizierten Einfuhrquoten versehen sind, zollfrei und ohne Höchstmenge eingeführt und damit billiger werden. 5,7 Milliarden Euro an Waren verkauft Europas Nahrungsmittelindustrie schon jetzt in Japan, der 127-Millionen-Einwohner-Staat ist ihr viertgrößter Markt.

Doch abseits der Ersparnis von geschätzt einer Milliarde Euro an Importzöllen, der Ausweitung aller Ausfuhren um ein Drittel beziehungsweise 20 Milliarden Euro und des erstmaligen Zugangs zur öffentlichen Auftragsvergabe durch japanische Gemeinden und Städte soll das Abkommen Europa vor allem eines bringen: eine neue Rolle als führende Kraft bei der Gestaltung der Globalisierung – in klarem Gegensatz zum Isolationismus und Rückzug von der Weltbühne, wie ihn Amerika unter Präsident Donald Trump und das Vereinte Königreich mit seinem Austritt aus der EU praktizieren.

„Lassen Sie mich bitte kurz an den politischen Kontext erinnern“, sagte Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rats, am Donnerstag bei der Vorstellung der Grundsatzeinigung mit Japans Premierminister, Shinzō Abe, und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. „Im Zusammenhang mit der Diskussion über den Brexit haben wir Aussagen gehört, die behaupten, dass es sich nicht auszahlt, in der Europäischen Union zu sein, weil es einfacher sei, Welthandel außerhalb der EU zu betreiben. Heute haben wir gezeigt, dass das nicht stimmt.“ Tusk betonte auch, worum es jenseits kommerzieller Erleichterungen beim Abkommen mit Tokio gehe: „Obwohl manche sagen, dass die Zeit des Isolationismus und der Auflösung wiederkomme, zeigen wir, dass das nicht der Fall ist – dass die Welt nicht hundert Jahre in der Zeit zurückgehen muss. Wissen Sie, wieso dieses Abkommen möglich war? Weil es vor allem um gemeinsame Werte geht, die unsere Gesellschaften prägen, womit ich liberale Demokratie, Menschenrechte und den Rechtsstaat meine.“

Japanische Abfuhr an die Brexiteers

Premierminister Abe machte seinerseits klar, dass Japan unter seiner Führung wenig Eile habe, mit einem aus der Union ausgetretenen Großbritannien neue Handelspakte abzuschließen: „Wir konzentrieren uns auf unsere Zusammenarbeit mit Europa. Wir hoffen, dass das Vereinte Königreich und die EU ihre Zusammenarbeit fortsetzen werden. Wir unterstützen die Einheit in Europa.“

Seit dem Jahr 2013 hatten die Kommission und Japan verhandelt. Lang dümpelte es dahin. Vor allem angesichts des starken Widerstands in einigen Mitgliedstaaten gegen das vergleichbare Abkommen TTIP mit den USA und das fast gescheiterte Abkommen Ceta mit Kanada hielt man sich mit Zwischenstandsberichten in Brüssel zurück.

„Die Beschleunigung des Abkommens mit Japan zeigt den Willen der EU, sich nicht von den USA die Agenda diktieren zu lassen“, erklärte Charles de Marcilly, Leiter des Brüssel-Büros der französischen Ideenschmiede Fondation Robert Schuman. Binnen Jahresfrist sollen die Details des Abkommens ausverhandelt werden, im Jahr 2019 soll es den 27 nationalen Parlamenten der Unionsmitglieder sowie dem Europaparlament vorgelegt werden.

Keine privaten Schiedsgerichte

Eine harte Nuss ist die Beilegung von Streitigkeiten über private Investitionen. Kommissionspräsident Juncker zog am Donnerstag eine rote Linie: „Ich habe klargemacht, dass private Tribunale keine Angelegenheiten öffentlichen Interesses entscheiden dürfen. Es gibt starke, unabhängige Gerichte in der EU und Japan. Sie werden den Rechtsstaat bewahren, und niemand sonst.“ Die Union wolle Japan und andere Staaten von ihrem Modell eines ständigen Gerichtshofs für Investitionsfragen überzeugen.

„Die EU ist heute global mehr und mehr engagiert“, sagte Tusk. „Vor ihr liegen Verhandlungen mit den Mercosur-Ländern: Mexiko, Neuseeland, Australien und anderen.“ Bestätigung schöpft man in Brüssel aus dem Freihandelsabkommen mit Südkorea. 2011 geschlossen, bewirkte es einen Anstieg der Ausfuhren nach Korea binnen nur vier Jahren um 55 Prozent auf 47,3 Milliarden Euro. Die Angst vor einer „Flut“ koreanischer Autos erwies sich als unbegründet – im Gegenteil: Europas Autoexporte verdreifachten sich auf sechs Milliarden Euro.

Auf einen Blick

Das Jeepa (Japan/EU Economic Partnership Agreement) soll, falls es 2019 durch alle Parlamente Europas geht, zahlreiche Handelshemmnisse abbauen und den Wert der Exporte nach Nippon um ein Drittel oder rund 20 Milliarden Euro erhöhen. In vielen Branchen, allen voran bei Käse, Rind- und Schweinefleisch, errang die EU-Kommission unerhofft starke Zusagen der Japaner. Auch werden europäische Unternehmen künftig an öffentlichen Ausschreibungen japanischer Kommunen und der Zentralregierung teilnehmen können. Das Walfangverbot in der EU bleibt unberührt, den Kampf gegen das illegale Schlägern und Verkaufen von Tropenholz wollen EU und Japan gemeinsam vorantreiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2017)

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