Fünf Jahre Aufschwung

Die Konkjunktur in Österreich kommt wieder in Schwung.
Die Konkjunktur in Österreich kommt wieder in Schwung.REUTERS
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Konsum, Exporte, Investitionen: Alle Indikatoren zeigen nach oben. Die gute Wirtschaftslage soll bis 2021 anhalten. Nur die Arbeitslosigkeit bleibt hoch. Vor allem bei gering Qualifizierten und Migranten.

Wien. Nach einer jahrelangen Durststrecke kommt die Konjunktur in Österreich wieder in Schwung. Für die Jahre 2017 bis 2021 erwartet das Institut für Höhere Studien (IHS) ein Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent im Schnitt. Das würde eine Verstärkung des Wachstums von knapp einem Prozentpunkt gegenüber dem Zeitraum 2012 bis 2016 bedeuten. Getragen wird die Erholung von der belebten Inlandsnachfrage. Einen Boom wird es allerdings auch in den kommenden Jahren nicht geben.

So soll die Wirtschaft laut IHS heuer noch um 2,2 Prozent wachsen. 2018 sind es dann 1,7 Prozent – und bis 2019 verringert sich das Wachstum auf 1,5 Prozent. Österreich wird nicht mehr schneller wachsen als die Eurozone – fällt aber auch nicht massiv zurück. Für den Euroraum erwarten die Experten ein Wachstum von 1,8 Prozent in den kommenden Jahren.

Die Botschaft der Ökonomen an die Politik ist eindeutig: „Auch wenn es aktuell gut aussieht – wir dürfen nicht erwarten, dass die Wachstumsraten ewig so weitergehen“, sagt IHS-Chef Martin Kocher. Sollte die Weltwirtschaft wider Erwarten erneut einbrechen und die Prognose hinfällig machen, sei entscheidend, wie „Österreich strukturell aufgestellt ist“.

Sorgenkind Arbeitsmarkt

Wie andere Ökonomen warnt auch Kocher eindringlich vor „Wahlzuckerln“. Statt solcher Aktionen brauche es in Österreich den Willen, Reformen zur Steigerung der Produktivität zu machen. Dabei gehe es um Investitionen in Bildung, Forschung und Weiterbildung – sowie die Restrukturierung von Märkten. Kocher hebt den Bereich der Dienstleistungen und Services hervor, wo der Wettbewerb noch immer zu gering sei.

Ein Sorgenkind bleibt auch der Arbeitsmarkt. Zwar wird die durchschnittliche Arbeitslosenrate in den kommenden Jahren auf 8,3 Prozent sinken. „Aber das ist für Österreich immer noch ein sehr hoher Wert“, sagt der IHS-Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer. So sei zwar ein starkes Beschäftigungswachstum zu verzeichnen – aber auch das Arbeitskräfteangebot legt zu. Die Gründe: die Zuwanderung sowie die verstärkte Präsenz von älteren und weiblichen Arbeitnehmern auf dem Markt. Die prognostizierten 8,3 Prozent liegen in etwa auf dem Niveau der vergangenen fünf Jahre (8,2 Prozent) – aber deutlich über den Jahren 2007 bis 2011 (6,6 Prozent).

Weniger Jobs für gering Qualifizierte

Besonders betroffen von der Arbeitslosigkeit bleiben weiterhin die Minderqualifizierten und Migranten. „Meist kommen verschiedene Risikofaktoren zusammen“, so Hofer. Für die in den vergangenen Jahren als Flüchtlinge nach Österreich gekommenen Menschen brauche es große Integrationsanstrengungen: „Wenn sie da sind, dann muss man auch investieren, um sie zu integrieren.“ Wobei viel auch vom Bildungsniveau der Heimat abhänge – was die Erfahrungen mit den in den vergangenen Jahrzehnten aus der Türkei eingewanderten Familien bestätigen.

„Das waren oft Migranten aus Anatolien mit einem sehr schlechten Bildungshintergrund. Bei den wenig qualifizierten Menschen mit türkischen Wurzeln fällt heute schon auf, dass es eine sehr hohe Arbeitslosigkeit gibt.“ Es brauche deshalb „Role Models“ und verstärkt frühkindliche Bildung – vor allem, um die Deutschfähigkeiten von Migranten zu verbessern. Denn die Digitalisierung und der Wandel zur Wissensgesellschaft spielen gering qualifizierten Gastarbeitern sowie ihren Kindern nicht in die Hände. „Jobs ohne Ausbildung fallen verstärkt einfach weg“, sagt Hofer: „Dasselbe gilt für Arbeiten, die auf physischer Kraft basieren.“

Bessere Nachrichten gibt es von der Nachfragefront: Das Wachstum der Inlandsnachfrage werde in den kommenden Jahren kräftig zulegen: auf 1,5 Prozent (nach 0,7 Prozent in den vergangenen fünf Jahren). Lobende Worte gibt es von den Ökonomen für die jüngste Steuerreform, die den privaten Konsum angeschoben hat.

Auch einige der bereits präsentierten Ideen aus dem Wahlkampf stoßen auf positive Resonanz. „Die Senkung der Abgabenlast, die Durchforstung der Förderungen und die Reform von Verwaltung und Föderalismus – all das wären Schritte in die richtige Richtung“, so Kocher. „Wir haben aber noch nicht gesehen, wie sich diese Entlastung finanzieren soll. Auch wie eine Verwaltungsreform aussehen könnte, ist offen.“ Besonders erfreulich entwickeln sich nicht nur die Inlandsnachfrage und der private Konsum, sondern auch die Investitionen.

Die Anlageinvestitionen sollen in den kommenden Jahren im Schnitt um 2,25 Prozent steigen, die Ausrüstungsinvestitionen dürften um 2,75 Prozent zulegen. Bei den Bauinvestitionen wird ein Anstieg um gut 1,6 Prozent erwartet. Hier hilft die Migration, weil sie die Nachfrage nach Wohnraum anheizt. Für die Exporte erwartet das IHS in den kommenden Jahren ein Plus von knapp 3,5 Prozent (nach 1,9 Prozent).

Standort muss gestärkt werden

Die Teuerung soll durchschnittlich 2,0 Prozent betragen. Das staatliche Defizit soll von heuer 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2021 auf 0,2 Prozent zurückgehen. Hier sei aber entscheidend, wie die nächste Regierung die versprochenen Reformen angehe, denn derzeit würde der Staat stark von der günstigen Geldpolitik und dem Konjunkturaufschwung profitieren.

Problematisch sei die Ausgabenstruktur. Zukunftsorientierte öffentliche Ausgaben vor allem in Bildung sowie Forschung müssten stärkere Priorität haben, so das IHS. Zudem müsse der Wirtschaftsstandort weiter gestärkt werden. Nur so sei der Sozialstaat auch längerfristig finanzierbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2017)

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