Statistikbehörde: Der verfolgte Reformer

Die Syriza-Regierung bricht ihre Zusage an die Troika, die Ermittlungen gegen Statistikreformer Andreas Georgiou einzustellen.

Brüssel. Im Jahr 2010 kehrte der Ökonom Andreas Georgiou nach 31 Jahren in den USA, wo er studiert und Karriere im Internationalen Währungsfonds gemacht hatte, in seine alte Heimat, Griechenland, zurück, um den Augiasstall ihrer Haushaltsstatistiken auszumisten. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit als neuer Präsident von Elstat, der griechischen Statistikbehörde, erlebte er einen Kulturschock. „Vom ersten Tag an gab mir der Verwaltungsrat zu verstehen, dass er alles weiterhin so machen wollte wie bisher. Diese Leute verlangten, dass wir über die Zahlen abstimmen, um Griechenland zu helfen. Ich sagte ihnen, dass das illegal wäre. Abgesehen davon ist es absurd, über Zahlen abstimmen zu wollen“, sagte er im Oktober 2016 im Gespräch mit der „Presse“.

Doch Georgiou machte ganze Arbeit. In den fünf Jahren vor seiner Ankunft hatte Eurostat sechsmal die Angaben Athens zum Defizitverfahren nicht als korrekt abzeichnen können. Seither gab es hingegen nichts mehr an Elstats Zahlen auszusetzen.

Seither zahlt Georgiou, alleinerziehender Vater einer kleinen Tochter, den Preis für seine Reformarbeit. Denn sowohl die linke Syriza-Regierung als auch die konservative Nea Dimokratia, in deren Regierungszeit die von Georgiou korrigierten Budgetbetrügereien gefallen sind, übersähen ihn mit zivil- und strafrechtlichen Klagen, die zwar regelmäßig von den Gerichten abgewiesen werden, Georgiou aber an den Rand des persönlichen finanziellen Ruins treiben.

Eine neue Wendung ergab sich vorige Woche. Nachdem die Athener Regierung ihren Geldgebern versprochen hatte, die justizielle Verfolgung Georgious zu beenden, und nachdem sie vom Euro-Rettungsfonds ESM eine Kredittranche von 7,7 Milliarden Euro erhalten hatte, klagte die Oberstaatsanwältin Xeni Dimitriou Georgiou erneut wegen angeblicher Statistikfälschung an – obwohl das Berufungsgericht gleichartige Anklagen bereits zwei Mal verworfen hatte. Von der Europäischen Kommission darf sich Georgiou keine Hilfe erwarten. Ein Sprecher lobte am Donnerstag zwar die Elstat-Budgetzahlen als einwandfrei, fügte aber hinzu: „Aus Prinzip kommentiert die Kommission keine nationalen Justizverfahren.“ (go)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Das Leben ist hart, aber es geht aufwärts. Und ausgehen muss sein – hier in Nafplio (Peloponnes).
Österreich

Der mühevolle Aufbruch im griechischen Alltag

Die Bevölkerung hält sich mit prekären Jobs über Wasser, die Banken verzichten auf Schulden.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.