Das Bieten für die insolvente Fluglinie hat begonnen. Die Interessenten spitzen auf Unternehmensteile. Der Verkauf des Gesamtpakets dürfte ein frommer Wunsch bleiben.
Wien. Noch fliegt sie. Am Leben, besser gesagt in der Luft wird sie aber nur mehr durch den Staat gehalten, nachdem Brüssel beide Augen zugedrückt hat: Nachdem die italienische Fluglinie Alitalia Anfang Mai – wieder einmal – in die Pleite geschlittert und unter Insolvenzverwaltung gestellt worden ist, hängt sie am Staatstropf. Einmal noch hat die Regierung in Rom in die Kassa gegriffen und einen 600 Millionen Euro schweren Überbrückungskredit springen lassen. Geld mit Ablaufdatum – denn die mehr durch Streiks und Missmanagement als durch exzellentes Service und Pünktlichkeit hervorstechende Fluglinie verbrennt an die zwei Millionen Euro – pro Tag. 2016 ergab das einen Jahresverlust von 491 Millionen Euro.
Die Zeit drängt also für die Suche nach einem finanzstarken Retter. Sie ist auch schon in Gang gebracht worden. Am Freitag lief die Frist für unverbindliche Angebote aus. Der Poststapel auf dem Tisch der Sonderverwalter der italienischen Airline soll 13 unverbindliche Angebote umfassen.
Kolportiert werden einige prominente Namen, darunter AUA-Mutter Lufthansa und deren europäischer Rivale British Airways, das US-Schwergewicht Delta, die beiden Billigairlines Ryanair und EasyJet sowie deren aufstrebendes asiatisches Pendant Air Asia. Auch Private-Equity-Fonds wie TPG, Indigo Capital und Cerberus zählen zu den Interessenten. Und nicht zuletzt soll auch die Golf-Airline Etihad, die seit 2014 mit 49 Prozent der zweitgrößte Alitalia-Aktionär ist, entgegen allen Spekulationen über einen Ausstieg doch noch im Spiel sein.
Abschreckender Blick in die Bücher
Ob diese Gesellschaften allerdings tatsächlich verbindliche Offerte legen werden, ist fraglich. Denn der Blick in die Bilanzen, der ihnen im Zuge des Verkaufsprozesses seit Ende Juni (noch bis Ende Juli) gewährt war, dürfte eher Schockierendes zutage gebracht haben. Da stehen etwa drei Milliarden Euro Schulden Vermögenswerten von nur 921 Millionen Euro gegenüber. Und das, obwohl der Staat seit 1974 gut sieben Milliarden Euro in die Fluglinie gebuttert hat. Auch dem Konsortium aus italienischen Unternehmern und Banken, das 2008 auf Geheiß des damaligen Premiers, Silvio Berlusconi, die bankrotte Airline übernahm, gelang es nicht, das Steuer herumzureißen. Ebenso wenig war Etihad erfolgreich.
Aber es geht nicht nur ums – nicht vorhandene – Geld: Nach wie vor haben gleich mehrere Gewerkschaften bei der Alitalia das Sagen – sie hatten zwar den jüngsten Rettungsplan mit harten Einschnitten ausverhandelt, zwei Drittel ihrer Mitglieder lehnten ihn in weiterer Folge jedoch ab, was das Aus besiegelte. Auch noch nach Einleitung der Insolvenz wurde gestreikt. Und letztlich hat die Fluglinie trotz mehrerer Reorganisationen zu viele Mitarbeiter. So sieht das jedenfalls Ryanair-Boss Michael O'Leary, der Probleme bekanntlich beim Namen nennt. „Alitalia zählt circa 5000 Personen, die weder Piloten noch Crewmitglieder noch Techniker sind. Ich weiß nicht, was sie tun“, sagte der forsche Unternehmer kürzlich.
O'Leary ließ zuletzt durchblicken, die Alitalia nur in Bausch und Bogen übernehmen zu wollen, um dort hart durchgreifen zu können. Schon 2015 hat die Ryanair die Alitalia in ihrem eigenen Land an Größe überholt – und die Iren investieren weiter. Andere dürften indes nur auf die Filetstücke spitzen. Was die Beute nämlich doch noch fett macht, sind die Start- und Landerechte und eventuell Flugzeuge. Ein Verkauf im Ganzen, wie ihn die Sonderverwalter wollen, dürfte letztlich ein frommer Wunsch bleiben. Denn auch O'Leary dürfte sich nur die Rosinen herauspicken.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2017)