Touristen vertreiben Alteingesessene aus Stadtzentren

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Einheimische können sich oftmals die Mieten nicht mehr leisten. Kurzfristige Vermietungen an Touristen bringen den Wohnungseigentümern oftmals höhere Einkünfte.

Für Manuel Mourelo stecken die pittoresken Gassen des Gotischen Viertels in Barcelona voller Erinnerungen: spielende Kinder, plauschende Nachbarn, traditionelle Bars. So kennt der 76-Jährige den ältesten Teil Barcelonas. "Das gibt es alles nicht mehr", sagt Mourelo. Jetzt ziehen Horden von Touristen durch die Sträßchen, auf Stadtführungen oder Segway-Touren.

Die Einheimischen müssen Platz machen für schicke Hotels und Ferienwohnungen. Tourismus zu Lasten der Einwohner - diese Entwicklung plagt nicht nur Barcelona: Berlin, Paris, Amsterdam und London leiden ebenfalls darunter.

Vergangenes Jahr musste auch Mourelo dem Tourismus weichen: Die Wohnung, in der er seit 25 Jahren lebte, wurde an einen Investor verkauft, der alte Herr musste ausziehen. Eine andere Wohnung in der Gegend konnte er sich nicht leisten: "Sie wollten 1.000, 1.200, 1.500 Euro", sagt Mourelo. Bisher hatte er 500 Euro Miete im Monat bezahlt.

Einwohner in der Minderheit

"Das hier war mein Dorf. Hier hatte ich alles - meine Freunde, meine Geschäfte. Ich habe hier geheiratet, meine Kinder wurden hier geboren und ich dachte, ich würde hier sterben", erzählt Mourelo wehmütig bei einem Spaziergang durch sein altes Viertel und seine Augen füllen sich mit Tränen. "Ich fühle mich vertrieben."

Lebten 2006 noch 27.470 Menschen dauerhaft im Gotischen Viertel, waren es Ende 2015 nach Angaben der Stadtverwaltung nur noch 15.624. Inzwischen sind 63 Prozent der Menschen dort Touristen oder Leute, die einen kurzfristigen Mietvertrag für ein paar Wochen oder Monate unterschrieben haben. Innerhalb von zwei Jahren ist im Stadtteil Ciutat Vella, zu dem das Gotische Viertel gehört, die durchschnittliche Miete pro Quadratmeter laut der Immobilienwebsite "Idealista" von 14,4 auf 19 Euro gestiegen.

Nicht nur die teuren Mieten, auch der Lärm, das Gedränge und das Verschwinden der Geschäfte des täglichen Bedarfs vertreiben die Bewohner. "Es geht hier nicht um Gentrifizierung, also dass die ursprüngliche Bevölkerung durch eine reichere ersetzt wird", sagt Gala Pin, Beraterin im Stadtteil Ciutat Vella. "Es geht um die Entvölkerung des historischen Zentrums." Der Soziologe Daniel Sorando stellt in Europa und den USA einen Trend fest hin zu "Stadtzentren, die sich als Geldmachmaschinen begreifen, während die arbeitende Bevölkerung daraus vertrieben wird".

Stadt Berlin reagierte mit Gesetz

Paris, London und Amsterdam wollen die kurzzeitige Vermietung von Wohnungen stärker regulieren, um zu verhindern, dass immer mehr Wohnraum in Ferienwohnungen umgewandelt wird. In Berlin gilt bereits seit 2014 das sogenannte Zweckentfremdungsverbot, wonach Wohnungen nur mit Genehmigung des Bezirks an Touristen vermietet werden dürfen. Jeder, der vermutet, dass eine Wohnung illegal als Ferienwohnung genutzt wird, kann den Verdacht online bei der Stadt melden. Dennoch ist die Zahl der Berliner Vermieter auf der Ferienwohnungs-Plattform Airbnb im vergangenen Jahr weiter gestiegen.

Im Konflikt zwischen Bewohnern und den knapp 13 Millionen Besuchern der Hauptstadt geht es nicht nur um Wohnraum. Vor allem der Lärm und Dreck, den die Partytouristen verursachen, nervt viele Berliner. Der Simon-Dach-Kiez im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gilt inzwischen als der "Ballermann von Berlin". Doch die Zeiten der "Rollkoffer raus"-Graffiti und Touristenhasser-Aufkleber mit dem Slogan "Berlin liebt dich nicht" scheinen vorbei.

Die Stadt versucht zwischen Anrainern und Touristen zu vermitteln. Zunächst verteilte sie eine Broschüre mit Benimm-Tipps für Touristen. Seit zwei Jahren gibt es in Friedrichshain-Kreuzberg die Initiative fair.kiez für "stadtverträglichen Tourismus". Anfangs sollten Pantomimen die Feiergäste auf das Ruhebedürfnis der Anrainer aufmerksam machen. Nun appellieren minimalistische Videospots an die Touristen: Bitte leise sein, den Müll entsorgen und nicht an die Häuser pinkeln.

(APA/AFP)

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