Handel: Kein Platz für Einzelkämpfer

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LIDL SUPERMARKT - EROeFFNUNG METROPOLFILILALEAPA/GEORG HOCHMUTH
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Österreichs Händler werden immer weniger. Eine „natürliche Entwicklung“, sagt die Kammer. Den Zusammenhang zur wachsenden Onlinekonkurrenz spielt man lieber herunter.

„Kein Grund zur Besorgnis, die Entwicklung ist natürlich“. Die Botschaft war den Handelsvertretern der Wirtschaftskammer (WKO) am Donnerstag viel Nachdruck wert. Es geht um die 10.000 der 47.800 Einzelhändler, die in den vergangenen zehn Jahren das Handtuch warfen oder unfreiwillig ausschieden – Stichwort: Baumax, Schlecker, Zielpunkt.

Alleine 2016 sperrten 700 Händler zu, der Großteil davon waren laut WKO kleine Betriebe mit einem einzigen Standort, die Wettbewerbsdruck, Rabattkämpfe und eine Durchschnittsmarge von 2,5 Prozent vor Steuern nicht so leicht abfedern konnten wie die Ketten.

Der Trend werde noch einige Jahre anhalten, sagt die Geschäftsführerin der Sparte Handel, Iris Thalbauer. Der Kunde habe aber nichts zu befürchten. Schließlich stünden jedem Österreicher nach wie vor 1,56 m² persönliche Supermarktfläche zu Verfügung. Die Einwohner von Schweden oder Portugal, die eine ähnliche Bevölkerungsdichte aufweisen, müssen sich mit maximal 1,4 m² pro Kopf begnügen.

Österreich hatte bekanntermaßen jahrzehntelang zu viele Händler. Aber woher kommt die Rasanz, mit der sich diese Situation seit geraumer Zeit selbst korrigiert? Seit 2013 geht erstmals nicht nur die Zahl der Geschäfte, sondern auch die Verkaufsfläche zurück. Expansion war einmal. „Das G3 in Gerasdorf wird wahrscheinlich die letzte große Neueröffnung bei den Shoppingcentern gewesen sein“, sagt Ernst Gittenberger von der KMU Forschung Austria.

In der Lesart der Kammer ist das, was sich hier abspielt, ein lange nötiger Strukturwandel, zusätzlich befeuert von einigen hausgemachten Pleiten und der strengeren Raumordnungspolitik. Einen Zusammenhang zu den Umsatzsprüngen im Internet bejaht man erst auf Nachfrage. Gittenberger: „Online wird deutlich wachsen und dem stationären Einzelhandel Umsatz entziehen.“

„Selbstverständlich“ sei der Konnex gegeben, sagt Wolfgang Richter, Geschäftsführer von Regiodata Research. „Der Kammer geht es wohl darum, bei den Mitgliedern nicht zu große Panik zu verbreiten.“ Schließlich machten nicht sie das große Geschäft mit den angeschlossenen Internetshops. Die Shoppingausgaben im Netz von 6,8 Mrd. Euro fließen zum Leidwesen der WKO zur Hälfte zur ausländischen Konkurrenz. „Für die Boutique Ines wird der Onlineshop nicht die Lösung aller Probleme sein“, sagt Richter.

Doch ein großer Sprung

Das erste Halbjahr 2017 durchbrach allerdings ein Muster. Der Einzelhandel fuhr sein bestes Ergebnis seit 2010 ein. „Der Konjunkturaufschwung hat jetzt auch den Einzelhandel erreicht“, so Gittenberger. Im Februar klang das noch deutlich weniger optimistisch. Da sagte der Ökonom angesichts der Zahlen für 2016: „Von den großen Sprüngen werden wir uns verabschieden müssen.“ Nachdem die realen Umsatzzuwächse seit 2011 weit unter bis leicht über der Nulllinie lagen, verzeichnete man im ersten Halbjahr ein reales Plus von 1,4 Prozent oder 800 Mio. Euro auf 33,9 Mrd. Euro. Gibt es eine Chance, dass sich das neue Wachstum in neue Expansionslaune überträgt? Dafür gibt es von den Branchenvertretern nur ein müdes Lächeln.

Das Rückgrat des Aufwärtstrends der ersten sechs Monate war der Lebensmittelhandel, der traditionell ein Drittel der Handelsumsätze macht. Er wuchs mit 4,3 Prozent real deutlich stärker als alle anderen Branchen. Anders als etwa im Elektro- oder Heimwerkerbereich sieht Handelsobmann Peter Buchmüller die Konsolidierung hier im Großen abgeschlossen. Der Schnitt von 26.500 Händlern in den Siebzigern auf heute 5300 halte vor.

Richter ist anderer Meinung. „Ich gehe davon aus, dass auch hier die Verkaufsflächen weiter sinken.“ Bei den Gewinnspannen reiche ein neuer externer Faktor, um die Situation zu drehen – sollte Amazon der mengenmäßige Durchbruch mit Lebensmitteln gelingen, sähe alles anders aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2017)

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