Auch neueste Diesel-Modelle fallen bei Abgas-Tests durch

Symbolbild: Abgastest.
Symbolbild: Abgastest.(c) AFP (Christof Stache)
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Die Politik sagt vor dem heute in Berlin stattfindenden Dieselgipfel vor allem alten Dieselautos den Kampf an. Doch das Problem betrifft auch neue Modelle. Die Ergebnisse liegen teilweise um ein Vielfaches über dem Grenzwert.

Auch die neuesten Diesel-Modelle der Autokonzerne überschreiten nach Informationen der "Bild"-Zeitung die Grenzwerte für Stickoxide deutlich. Die Zeitung berichtet in ihrer Mittwochsausgabe über neue Messungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die insgesamt 75 Diesel-Pkw getestet hat.

Unter den zehn Modellen mit dem höchsten Stickoxid-Ausstoß befindet sich dem Bericht zufolge auch der neue, erst im zweiten Halbjahr 2016 eingeführte Volvo S90 4D. Das Modell mit auf der Straße gemessenen 1076 Milligramm je Kilometer habe den Grenzwert von 80 Milligramm je Kilometer um das 13,5-fache überschritten. Angeführt werde die Negativ-Liste vom aktuellen Audi A8 L 4.2 TDI, der beim Straßentest der DUH mit 1422 mg/km um das 17,8-fache über dem Grenzwert liege, berichtete die Zeitung weiter. Es folgten Modelle von Fiat (500X 2.0), Renault (Capture 1.5 dCi) und Landrover (Discovery Sport HSE TD4). Unter den Top 10 der Verschmutzer waren demnach auch Mercedes (B 180 d), Opel (Zafira Tourer 1.6 CDTI) und VW (Golf 1.6 TDI, Euro 5 vor Softwareupdate) vertreten.

"Grenzwerte werden massenhaft überschritten"

"Die Liste zeigt, dass die Grenzwerte massenhaft und dramatisch selbst von neuen Modellen überschritten werden", sagte der Testleiter der Umwelthilfe, Axel Friedrich. "Das ist schlicht nicht zu akzeptieren." Nur vier Autos hielten dem Bericht zufolge den Grenzwert von 80 mg/km ein, alle Modelle von deutschen Herstellern: Audi A5 2.0 TDI, Mercedes E 200d mit neuem OM-654-Motor, Audi Q3 2.0 TDI quattro und der VW Sharan 2.0 TDI.

Die Autobranche steht vor Beginn des am Mittwoch in Berlin stattfindenden Diesel-Gipfels massiv unter Druck. Die Autokonzerne sollen darlegen, wie sie die Schadstoffbelastung durch ihre Diesel-Autos reduzieren und die gesetzlichen Vorgaben künftig einhalten wollen.

"Industrie hat mehr zu verlieren als ein paar Dieselautos"

"Der politische Druck ist so enorm, dass die deutsche Autoindustrie mehr zu verlieren hat als ein paar Dieselautos", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe letztlich um den Wirtschaftsstandort Deutschland. "Deswegen wird die Industrie weiter gehen, als sie bisher gesagt hat." Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Bundesratspräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, man werde die Auto-Industrie "in die Pflicht nehmen". Sie erwartet ein Sofortprogramm der Hersteller.

Bei dem Spitzentreffen von Bund, Ländern und Autobranche geht es um Nachbesserungen bei der Abgasreinigung von Millionen Diesel-Autos in Deutschland und die Förderung eines abgasarmen Verkehrs in den Städten. Die Verpflichtung der Hersteller zu Updates an der Motorsoftware gilt als sicher.

"Kosten für Umrüstung muss Industrie tragen"

Verkehrsminister Alexander Dobrindt sagte der "Passauer Neuen Presse" vor dem Treffen, Ziel sei es, Ökologie und Mobilität näher zusammen zu bringen und eine Perspektive für die Mobilität der Zukunft zu geben. "Dazu muss die Industrie die Umrüstung von Euro-5- und Euro-6-Fahrzeugen umsetzen." Zudem erwarte er ein "akzeptables Angebot der Automobilindustrie" zur Senkung der Schadstoffbelastung in deutschen Städten.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssten "auch die älteren Fahrzeuge einen Beitrag leisten", erklärte der Minister. "Völlig klar ist: Die Kosten von Umrüstungen muss die Industrie tragen. Den Kunden dürfen keine Extrakosten entstehen." Ob Software-Updates ausreichten oder auch Umbauten nötig seien, ließ er dem Bericht zufolge offen. "Fest steht: Euro-5- und Euro-6-Dieselmotoren können mit neuer Steuerungssoftware deutlich verbessert werden", sagte Dobrindt.

Das Problem alter Dieselautos

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte dem "Tagesspiegel" (Mittwoch): "Wir brauchen schnelle Software-Nachrüstungen und dann eine richtige Umrüstung der Hardware der Fahrzeuge, denn nur so lassen sich Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in besonders belasteten Städten vermeiden."

Bei diesen Software-Updates geht es um neuere Diesel, die den EU-Abgasnormen Euro 5 und Euro 6 entsprechen. Unter anderem die Ministerpräsidenten der Auto-Länder Bayern und Niedersachsen, Horst Seehofer (CSU) und Stephan Weil (SPD) hatten staatliche Anreize wie Steuernachlässe oder Prämien ins Gespräch gebracht, damit Besitzer älterer Autos auf neue, sauberere Modelle umsteigen.

Vor dem Gipfel relativierte Weil das teilweise: Er wolle "den Konzernen nichts schenken", sagte er der "Bild"-Zeitung. Um alte Diesel von der Straße zu bekommen, brauche es Anreize, "vor allem von der Industrie". Seehofer mahnte erneut eine Lösung für die mehr als fünf Millionen älteren Diesel-Pkw in Deutschland an, bei denen Software-Updates nicht möglich seien. "Ich will, dass modernere Autos die älteren Autos ablösen", sagte er.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz betonte, dass Autobesitzer weder für die Umrüstungen noch für die Entsorgung alter Autos zahlen sollten. Für beides müssten die Hersteller aufkommen. "Wer einen Diesel gekauft hat, darf nicht der Dumme sein", sagte der SPD-Chef dem "Spiegel". Die Industrie müsse beim Dieselgipfel entsprechende Zusagen machen, so  Schulz. Das Angebot der Branche müsse ohne Steuergelder auskommen, aber gleichzeitig so attraktiv sein, dass es von möglichst vielen Dieselfahrern angenommen werde.

(APA/AFP)

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