Fipronil-Eier: EU hatte schon Anfang Juli Informationen

Hätte man eine weitere Auslieferung der Fipronil-Eier verhindern können?
Hätte man eine weitere Auslieferung der Fipronil-Eier verhindern können?APA/AFP/Belga/KRISTOF VAN ACCOM
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Auf einer EU-Plattform gab es schon Anfang Juli einen Austausch zwischen Belgien und den Niederlanden über den Eier-Skandal. Belgien wirft den Niederlanden vor, schon länger untätig gewesen zu sein.

Die EU-Kommission hat entgegen erster eigener Angaben schon Anfang Juli Informationen zu Fipronil-Eiern erhalten. Dies geht aus dem Bericht der belgischen Lebensmittelsicherheitsbehörde FASNK vom Mittwoch hervor, der der Nachrichtenagentur dpa in Brüssel vorliegt. Die EU-Kommission bestätigte die Meldung an die EU-Plattform.

Eine Sprecherin der EU-Behörde hatte noch am Dienstag jegliche Kenntnis ihrer Behörde zu Fipronil-Eiern in Belgien vor dem 20. Juli verneint. Belgien hatte laut FASNK-Bericht am 6. Juli über diese EU-Plattform Informationen aus den Niederlanden angefragt, um die mutmaßliche Verbreitung des Insektengifts im Geflügelsektor nachzuvollziehen zu können. Belgische Ermittler pochten damals auf Mithilfe von ihren niederländischen Kollegen.

Im Bericht der FASNK heißt es: "06.07.2017: Frage an die Niederlande gerichtet über das Antibetrugssystem AAC-FF, mit Erläuterung der Hypothesen betreffend die ursprüngliche Verunreinigung. Diese Nachricht wird auch von den europäischen Instanzen gelesen, die das System betreiben." Betreiber ist die EU-Kommission.

Lediglich Austausch zweier Länder

Die EU-Kommission erklärte am Mittwoch auf Nachfrage, es habe sich lediglich um einen Austausch zwischen den beiden Staaten gehandelt. "Am 6. Juli gab es einen bilateralen Austausch zwischen Belgien und den Niederlanden im Rahmen des so genannten Administrativen Unterstützungs- und Kooperationssystems", sagte ein Sprecher. "Die Kommission überwacht den Austausch im Administrativen Unterstützungs- und Kooperationssystem (ACC) nicht aktiv wie es beim Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (RASFF) der Fall ist."

In der relevanten EU-Regelung heißt es zur Rolle der EU-Kommission: "Sie überwacht den Informationsaustausch über das AAC-System (...) im Hinblick auf Aktivitäten, die gegen Lebensmittel- oder Futtermittelrecht verstoßen oder zu verstoßen scheinen und die auf Unionsebene von besonderem Interesse sind". In einer anderen EU-Verordnung steht: "Die Kommission koordiniert unverzüglich die Maßnahmen der Mitgliedstaaten, wenn sie aufgrund von Informationen aus den Mitgliedstaaten oder aus anderen Quellen Kenntnis von Handlungen erhält, die gegen das Futtermittel- oder Lebensmittelrecht verstoßen oder vermutlich verstoßen und für die Gemeinschaft von besonderem Interesse sind."

Am Dienstag hatte eine Sprecherin der EU-Kommission erklärt: "Die EU-Kommission erfuhr erst am 20. Juli von mit Fipronil kontaminierten Eiern, als die belgischen Behörden die Kommission über unser Schnellwarnsystem informierten. Keinerlei Informationen über diesen Verunreinigungs-Vorfall wurden der Kommission vor dem 20. Juli geliefert, über technische oder irgendwelche anderen Kanäle."

Belgische Vorwürfe an die Niederlande

Der belgische Landwirtschaftsminister Denis Ducarme erhob am Mittwoch in Brüssel schwere Vorwürfe gegen die Niederlande: Die dortigen Behörden hätten bereits Ende November 2016 von belasteten Eiern gewusst, allerdings nicht darüber informiert, sagte er.

Ducarme äußerte sich in einer Parlamentsanhörung zu dem Eier-Skandal und berief sich auf ein internes niederländisches Dokument, das im Besitz der belgischen Behörde für Lebensmittelsicherheit sei. "Es gab dazu keine offizielle Mitteilung der Niederlande", kritisierte Ducarme das Nachbarland. 

"Ein Monat. Ein Monat ohne die geringste Information der niederländischen Agentur. Was heißt das? Das heißt, dass wir keinen Zugang zu einer Kundenliste der niederländischen Firma hatten", sagte Ducarme. Derzeit wird angenommen, dass ein belgischer Hersteller einem gängigen Reinigungsmittel Fipronil beimengte und die Mischung an Betriebe in Belgien, den Niederlanden und Deutschland verkaufte. "Wir haben einen Monat verloren, um Tests zu machen", so Ducarme.

Die niederländische Behörde für Lebensmittelsicherheit (NVWA) bestritt die Vorwürfe. Man habe im November 2016 nichts von Fipronil in Eiern gewusst, hieß es in einer Erklärung des NVWA-Chefs Rob van Lint vom Mittwoch.

Allerdings habe es einen anonymen Hinweis gegeben, dass das Insektengift bei der Reinigung von Ställen zur Bekämpfung der Blutlaus eingesetzt worden sei. "Die NVWA bekommt jedes Jahr Hunderte von Tipps über vermutete Unregelmäßigkeiten", erklärte van Lint. Ein solcher Hinweis sei auch im November 2016 hinsichtlich der Stallreinigung eingegangen. "Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Hinweise darauf, dass es ein akutes Risiko für die Lebensmittelsicherheit geben könnte. Es gab keinen einzigen Hinweis darauf, dass Fipronil sich auch in Eiern befinden könnte."

Die belgische Lebensmittelsicherheitsbehörde FASNK erfuhr am 2. Juni von einem Fipronil-Verdachtsfall in Belgien, informierte die anderen EU-Staaten aber offiziell erst am 20. Juli. Die Verzögerungen sind laut Ducarme wesentlich auf mangelnde Kooperation der Niederlande zurückzuführen.

Ungenügende Informationsweitergabe

Dadurch gelangten Millionen verseuchte Eier aus den Niederlanden nach Deutschland. Dass belastete Eier aus den Niederlanden nach Deutschland geliefert wurden, erfuhren die deutschen Behörden von den niederländischen Stellen rund eine Woche später nach dem 20. Juli.

Die Vorwürfe Ducarmes werfen nun die Frage auf, seit wann belastete Eier in andere Länder geliefert wurden. Es sei wirklich ein Problem, wenn einer der größten Eierexporteure der Welt wie die Niederlande seine Erkenntnisse nicht weitergebe, kritisierte der belgische Minister.

In Deutschland fahnden die Behörden inzwischen nach Produkten, in denen belastete Eier verarbeitet wurden. Die Bundesländer hatten sich nach Angaben der Berliner Senatsverwaltung für Verbraucherschutz am Dienstag auf ein bundesweites Überwachungsprogramm zur Untersuchung von Fipronil in Ei-Verarbeitungsprodukten und eihaltigen Tiefkühlprodukten verständigt.

(APA/AFP)

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