„Volkswagen ist unantastbar“

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McAllister Martin Winterkorn Piech Hauptversammlung Volkswagen DEU Deutschland Hamburg 03 05 2(c) imago/IPON (imago stock&people)
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Auch die schwarz-gelbe Vorgängerregierung in Niedersachsen soll sich mit VW abgesprochen haben. Das Land sitzt eben auch im VW-Aufsichtsrat, heißt es. Und das wird auch nach der Wahl am 15. Oktober so bleiben.

Hannover/Berlin. In Niedersachsens Landtag gelangt am Donnerstag eine Shakespeare'sche Tragödie zur Aufführung. Es geht um angeblichen Verrat und Intrige, um den Wechsel der Grünen Elke Twesten ins CDU-Lager, der die rot-grüne Regierungsmehrheit kippte und zur Selbstauflösung des Landtags führen wird. Eine Grüne fragt, ob nicht CDU-Gelder an Twesten geflossen seien. Die CDU empört sich indes über die „Hetzjagd“ in sozialen Medien auf ihren Neuzugang. Und SPD-Ministerpräsident Stephan Weil wähnt sich im Zentrum einer Verschwörung: „An Zufälle mag glauben, wer will, ich glaube nicht daran.“

Just zwei Tage nach dem Verlust der Regierungsmehrheit wurde publik, dass Weil im Oktober 2015 eine Regierungserklärung mit VW abgesprochen hatte. „Handlanger eines VW-Vorstandsvorsitzenden“ nannte ihn CDU-Landeschef Bernd Althusmann, der nun beste Chancen hat, Weil nach den Neuwahlen am 15. Oktober zu beerben. Es läuft für die Christdemokraten. Bloß verfestigt sich der Eindruck, dass es die schwarz-gelbe Vorgängerregierung (2010 bis 2013) nicht anders gehalten hat mit VW.

„Wichtig ist in der Tat, dass sich Winterkorn/Osterloh und MP verabreden, sich gegenseitig mit ,Steilpässen‘ zu bedienen.“ Martin Winterkorn war damals VW-Chef, MP steht für CDU-Ministerpräsident David McAllister. Und formuliert hat den Satz die Pressestelle der Staatskanzlei. Als es bei der VW-Tochter Porsche 2010 Probleme gab, schickte der Autobauer „Kommunikationsrichtlinien“ an die Landesregierung. Auch Pressemitteilungen wurden VW vorab vorgelegt. So berichten es NDR und NWZ. Der damalige FDP-Wirtschaftsminister, Jörg Bode, bestreitet Absprachen nicht. Er spricht sogar von einer Pflicht – das Aktienrecht. Der Wirtschaftsminister sitzt wie der Ministerpräsident immer im VW-Aufsichtsrat. Eine Doppelrolle, die Interessenkonflikte stiftet.

VW-Gesetz: Die heilige Kuh

Niedersachsen hält 20 Prozent der VW-Anteile, das VW-Gesetz sichert der Politik aber eine Sperrminorität – ein Relikt aus dem Jahr 1961, das Gerhard Schröder später als „Autokanzler“ mit Zähnen und Klauen verteidigte. Und auch jetzt wagt sich niemand an das Gesetz heran. FDP-Chef Christian Lindner hat es zwar versucht. „Der Staat sollte VW komplett privatisieren“, sagte er dem „Handelsblatt“. Inzwischen haben das nicht nur SPD und CDU abgelehnt, sondern auch die eigene FDP-Landespartei.

Schon immer wähnen sich die Ministerpräsidenten im Verbund mit der IG Metall und dem Betriebsrat als Schutzherren über VW-Arbeitsplätze. Es gibt ja das Bonmot: „Wenn VW hustet, hat Niedersachsen die Grippe.“ 120.000 Menschen werken für VW, indirekt sollen 250.000 Arbeitsplätze in Niedersachsen am Autobauer hängen. „VW ist in Niedersachsen unantastbar“, räumte Hartmut Möllring 2010 in der „FAZ“ ein. Er war damals CDU-Finanzminister. Und solange es lief, sonnten sich Ministerpräsidenten über Parteigrenzen hinweg gern im Glanz des Weltkonzerns. Nun färbt der Dieselruß ab. Umfragen zufolge ist Rot-Grün ohne Chance auf eine Wiederwahl.

Ein CDU-Abgeordneter soll schon 2016 SPD-Wirtschaftsminister Olaf Lies in einer Ausschusssitzung bedauert haben. Es ging um die Kommunikation im Dieselskandal. „Das Problem, über das wir hier diskutieren, ist kein Problem nur der amtierenden Landesregierung“, sagte der Christdemokrat laut „SZ“. „Das ist ein Problem des gesamten Konstrukts.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2017)

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