Tourismus in Palma: "Die Stadt verliert langsam ihre Identität"

Graffiti in Palma.
Graffiti in Palma.(c) REUTERS (Enrique Calvo)
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Immer mehr traditionelle Geschäfte können die durch den Tourismus in die Höhe getriebenen Mietpreise nicht mehr zahlen und müssen schließen.

Sie habe auf Mallorca seit Jahren eine Routine, erzählt Yvonne Siebenmann. Wenn sie vom Flughafen mit der Buslinie 1 im Zentrum Palmas ankommt, geht sie als erstes gegenüber in die Bar Cristal an der Plaça d'Espanya und trinkt ein Glas Cava. "Dann fängt der Urlaub an."

Das Traditionslokal ist nicht nur der Schweizerin, sondern unzähligen Einheimischen und Besuchern sehr ans Herz gewachsen. Lange wird es die Bar Cristal mit ihren adrett in schwarzer Hose und weißem Hemd gekleideten Kellnern aber nicht mehr geben.

Betreiber Tolo Ramis sieht sich gezwungen, den Laden dichtzumachen. "Einen genauen Termin habe ich noch nicht", erzählt er. "Aber ich rechne, dass es im September oder Oktober so weit ist." 25.000 Euro soll demnach die neue Monatsmiete betragen. "Plus Mehrwertsteuer", sagt der 56-Jährige, der die Bar mit seiner Schwester Mita leitet. Zuviel für den Gastwirt, dessen Familie die 1930 eröffnete Bar im Jahr 1955 übernommen hat. "Bis jetzt haben wir rund 5000 Euro gezahlt, inklusive der Steuer." Zehn Mitarbeiter werden ihren Job verlieren.

In Palma gibt es einen Immobilienboom. In den vergangenen sechs Monaten seien die Mietpreise für Geschäfte in der Stadt um 15 Prozent gestiegen, sagt Toni Sampol, Sprecher des Verbandes für kleine und mittelständische Unternehmen auf Mallorca (Pimem). Allerdings sei das nur der Durchschnitt. In der Altstadt hätten sich die Mietpreise im genannten Zeitraum locker verdoppelt. Das Schicksal von Tolo und Mita Ramis ist daher keine Ausnahme.

Internationale Marken verdrängen Traditionslokale

"Die Schließung der Bar Cristal bedeutet das Ende eines weiteren bei Einheimischen und Touristen beliebten Ortes, der unsere Stadt geprägt hat", sagt Sampol. Und beginnt aufzulisten: "Ende April hat das Café Lírico am Passeig del Born geschlossen, zuvor der Kunsthandel Art Oms in der gleichnamigen Straße oder die Buchhandlung Ripoll im Carrer Sant Miquel." Eine genaue Statistik über die geschlossenen Traditionsgeschäfte werde derzeit erstellt.

Die Plaça d'Espanya verändert sich, ganz Palma tut es. Zwei Häuser weiter von der Bar Cristal, wo früher die Kneipe "Cerveceria La Sureña" war, ist erst vor einigen Tagen eine Imbiss-Kette eingezogen. Dort wo Ramis (noch) Kaffee, Sandwiches und mallorquinische Tapas serviert, soll Gerüchten zufolge ein Telekommunikationsunternehmen oder ein Kinderbekleidungsgeschäft einziehen. Internationale Marken, die sich die Mieten leisten können.

Siebenmann sitzt an diesem sonnigen Morgen mit ihrem Bekannten Peter Haudenschild bei Kaffee und Gebäck wieder in der Bar Cristal vor dem eindrucksvollen Jugendstil-Gebäude des Architekten Gaspar Bennàssar aus dem Jahr 1916. "Hier fühlt man sich willkommen", sagt der pensionierte Ökonomieprofessor Haudenschild. "Es ist ein authentischer Ort. Ob Xisco oder Llorenç: die Kellner sind über die Jahre immer dieselben. Sogar die Frisuren haben sich nicht groß verändert."

Palma plant neuen Subventionsplan

Doch andere Dinge haben sich verändert: "Der Massentourismus und die unsichere Situation in anderen Mittelmeerländern haben sicher dazu geführt, dass die Investoren hier viel Geld bieten", sagt Sampol. Die Verantwortung will er aber nicht nur bei den Investoren suchen. "Das ist klar eine Sache der Verbraucher. Wir können nicht jeden Tag in den Supermarkt gehen und uns dann beklagen, dass der Tante-Emma-Laden schließt."

Auch bei der Stadt Palma gibt man sich betroffen ob der Schließung der Bar Cristal. "Hier hat man sich gern auf einen Kaffee getroffen", heißt es aus dem Rathaus. Machen könne man aber nicht viel. "Das regeln die Gesetze des Marktes." Dazu kommen Geschäfte, deren Betreiber aufhören, weil sie keine Nachfolger finden, wie etwa der Schreibwarenhandel Casa Roca, der 2016 nach 166 Jahren schloss. Auch da reißen sich die Investoren drum.

Die Stadt ist aber dabei, einen neuen Subventionsplan zu erstellen, der - wie es heißt - auch traditionelle Geschäfte einschließen könne. Damit sich wenigstens das Stadtbild nicht zu sehr verändert, hat man im Juni 162 zusätzliche Gebäude und architektonische Elemente unter Denkmalschutz gestellt, darunter auch die Casa Roca.

"Es ist eine besorgniserregende Entwicklung, die sich gerade hier vollzieht", klagt Yvonne Siebenmann. "Die Stadt verliert langsam ihre Identität." Auch im Kleinen: "Hier wird die Flasche Brandy noch auf den Tisch gestellt, wenn man einen "rebentat", einen Kaffee mit Schuss, bestellt", erzählt Haudenschild. "Das gibt es bei den neuen Lokalen nicht mehr."

(APA/dpa/Patrick Schirmer)

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