Nafta: Neustart für den „schlechtesten Deal“

U.S. President Donald Trump holds a mechanical tool as he attends a Made in America roundtable in the East Room of the White House in Washington, U.S.
U.S. President Donald Trump holds a mechanical tool as he attends a Made in America roundtable in the East Room of the White House in Washington, U.S.(c) REUTERS (Carlos Barria)
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Die USA, Mexiko und Kanada verhandeln ihr Freihandelsabkommen neu – auf Druck von Trump, der damit die US-Handelsdefizite senken will. Aber die Partner dürften das nicht zulassen.

Wenn Donald Trump von Nafta spricht, gerät er gern in Rage. Als „totales Desaster“ und „den schlechtesten Deal in der Geschichte der Vereinigten Staaten“ hat der US-Präsident den Freihandelsvertrag mit Mexiko und Kanada genannt. Seit das Abkommen 1994 in Kraft trat, habe es amerikanische Jobs vernichtet und für Defizite in der Handelsbilanz gesorgt.

Deshalb wollte es Trump loswerden. Die Nachbarn haben ihn überredet, Nafta lieber neu zu verhandeln. Am Mittwoch hat die erste Runde der Gespräche in einem historischen Hotel in Washington begonnen. Aber viele Ziele sind so konträr, dass ein Scheitern fast programmiert scheint.

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Über eines besteht immerhin Einigkeit: Der 23 Jahre alte Vertrag ist nicht mehr in allen Punkten zeitgemäß und verdient eine Überarbeitung. Aber die Partnerländer wollen nur Änderungen, die in Summe im Interesse aller sind und den Freihandel eher fördern statt bremsen – womit sie auch den größten Teil der US-Unternehmen auf ihrer Seite haben. Vor allem die Autoindustrie sieht ihre globalen Lieferketten bedroht. Für das Weiße Haus aber stehen die Verhandlungen klar unter der Devise „America first“: einseitige Vorteile, die sich der Stärkere gegen die Schwächeren erkämpft. Warum aber sollten sich Mexiko und Kanada ihren Überschuss im Handel mit den USA künstlich beschneiden lassen, wenn sie in Summe selbst Handelsdefizite einfahren?

Zeitdruck und rote Linien

Mexiko will ein schnelles Ergebnis, bis kommenden Februar, wenn dort der Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl anläuft. Angesichts der Ausgangslage ist das ein sehr ehrgeiziges Ziel. Die große Frage ist: Wie reagiert Trump, wenn er sieht, dass er seine Agenda nicht so einfach durchdrücken kann? Verkauft er kleinere Zugeständnisse als Erfolg, oder bricht er die Gespräche ab, um seine ursprüngliche Drohung wahr zu machen? Die Mexikaner könnten ihm zuvorkommen: Wenn die US-Verhandler Strafzölle aufs Tapet bringen, wollen sie vom Tisch aufstehen. Washington dürfte aber eher versuchen, sich über Umwege eine bessere Position zu verschaffen. Die heißen Themen im Detail:

Streitschlichtung. Gibt es Beschwerden über Subventionen oder Dumping, prüft eine bilaterale Kommission die Vorwürfe und trifft eine bindende Entscheidung – so hat es das Nafta-Abkommen bisher vorgesehen. Aber die USA haben in solchen Streitfälle oft verloren. Deshalb möchten sie – unter Berufung auf die „nationale Souveränität“ – lieber ihre eigenen Gerichte urteilen lassen, mit dann wohl besseren Aussichten auf Erfolg. Damit würde sich freilich die Rechtssicherheit fremder Investoren deutlich verschlechtern. Für die Regierung in Ottawa liegt hier die rote Linie: Das „Chapter 19“ muss Teil des Vertrags bleiben. Bei Streitfällen von Investoren mit der öffentlichen Hand möchte sich Kanada aber am Ceta-Abkommen mit der EU orientieren: Wenn es um Arbeitsplätze oder Umweltschutz geht, soll nicht ein neutrales Schiedsgericht, sondern der Staat entscheiden.

Staatliche Aufträge. Hier zeigt sich wohl am deutlichsten, dass die US-Regierung mit zweierlei Maß misst: Sie fordert die Nachbarn auf, ihre öffentlichen Ausschreibungen stärker für US-Produkte zu öffnen (was der Nafta-Vertrag ohnehin vorsieht). Umgekehrt denken sie nicht daran, ihre „Buy American“-Doktrin aufzugeben. Sie verhindert zum Beispiel, dass beim Bau von Brücken kanadischer Stahl zum Einsatz kommt.

Herkunftsregeln. Schon bisher galt: Damit ein Produkt zwischen den drei Ländern Nordamerikas zollfrei gehandelt werden kann, muss es zu einem bestimmten Anteil im Nafta-Raum gefertigt worden sein. Bei Autos sind es etwa 62,5 Prozent. In der Zwischenzeit sind aber viele Zulieferteile aus dem „Nafta-Ausland“ dazugekommen. Die USA wollen die Quoten deshalb erhöhen, womit die beiden Verhandlungspartner im Prinzip leben könnten–freilich vorausgesetzt, sie gelten wie bisher für den gesamten Wirtschaftsraum. Man befürchtet aber, dass die Amerikaner spezielle, höhere Anteile für die US-Produktion durchsetzen wollen, um ihre eigene Industrie zu bevorzugen.

Quoten für Agrarprodukte. Zumindest in einem Punkt hält Washington die Fahne des Freihandels offenbar höher als die anderen: Bei Agrarprodukten sollen bisher erlaubte Restriktionen fallen. Zum Teil sieht Nafta hier Importquoten vor; Rindfleisch ist vom Abkommen ausgenommen.

Sollte es zu einer Einigung kommen, steht der Test für Trump erst aus: Verbessert sich die Leistungsbilanz, schafft das Jobs? Die meisten Handelsexperten glauben nicht daran. Sie sind überzeugt: Um das riesige US-Handelsdefizit zu senken, helfen keine „Deals“. Vielmehr müsse die gesamte Volkswirtschaft mehr sparen – oder anders gesagt: weniger über ihre Verhältnisse konsumieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2017)

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