Forum Alpbach

Kapsch: „Förderdschungel lichten“

IV-Präsident Kapsch, Hannes Androsch: Gegen „Retro-Träumerei“.
IV-Präsident Kapsch, Hannes Androsch: Gegen „Retro-Träumerei“. (c) AIT / Johannes Zinner
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Hannes Androsch, Vorsitzender des Forschungsrates, drängt auf eine „digitale Alphabetisierung“. IV–Chef Kapsch will alle Forschungsagenden in einem Ministerium bündeln.

Alpbach. „Wir scheuen Konflikte, Kooperationen aber auch“, sagt Georg Kapsch. Österreich sei ein Land der Gremien, Institutionen und der faulen Kompromisse. Das mache träge. Der Präsident der Österreichischen Industriellenvereinigung geht zum Auftakt der Technologiegespräche mit den Österreichern hart ins Gericht.

Auch mit dem Generalthema des diesjährigen Forums Alpbach, „Konflikt und Kooperation“, kann er wenig anfangen. Konflikt und Kooperation seien per se weder Gegensätze noch etwas Symbiotisches: Kooperation sei nicht immer gut, umgekehrt könnten Konflikte sehr wohl Kreativität fördern. Vor allem, wenn es um Ressourcen geht, gewinne Kooperation an Bedeutung. Diese sei in Österreich aber noch sehr ausbaufähig: zwischen den einzelnen Unis, zwischen Unis und außeruniversitären Forschungseinrichtungen und auch zwischen Unis und Unternehmen. Viel zu oft brauche jeder sein eigenes Spielfeld, so Kapsch.

Das spiegelt sich für ihn in der Forschungsförderungslandschaft wider. Diese sei „total fragmentiert“. Die verschiedenen Förderstellen in Österreich seien nicht vernetzt, Kapsch spricht von einem „Förderdschungel“: „Nicht das Geld fehlt, wir haben ein strukturelles Problem“, sagt er. Es gebe viel zu viele Initiativen und jede für sich sei zu klein, um eine kritische Masse zu bilden. Statt zu handeln, werde oft in Gremien monate- und jahrelang diskutiert. Daher sollten auch die derzeit auf mehrere Ressorts verteilten Forschungsagenden in einem Ministerium gebündelt werden, so Kapsch.

Leiden an „Input-Fetischismus“

Außerdem leide man an „Input-Fetischismus“, betrachte in der Forschungsförderung zu sehr den Input und zu wenig den Output. Wichtiger sei jedoch, das Geld zielgerichtet zu investieren – und hier vermisst Kapsch die Strategie: „Wir tun, was gerade hip ist und gut klingt.“ Daher gebe es viele Initiativen, die irgendwann versanden. Sein Sukkus: „So schaffen wir kein innovatives Ökosystem, wie wir es aber brauchen.“

Auch Hannes Androsch, Vorsitzender des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) und Aufsichtsratsvorsitzender des Austrian Institute of Technology (AIT) wünscht sich – möglichst schnell – eine langfristige Planung: „Wir müssen die Möglichkeiten rasch nutzen, damit wir nicht unter die Räder kommen.“ Man lebe zwar in einer ähnlichen Umbruchzeit wie vor 250 Jahren, als das Agrar- in ein Industriezeitalter mündete; der Umbruch ins digitale Zeitalter verlaufe aber viel schneller, umfassender und disruptiver. Die Digitalisierung betreffe alle Lebensbereiche und würde auch das Bankwesen und die Medizin grundlegend verändern. Die Industrie müsse dazu Geschäftsmodelle schaffen, die auch in den nächsten 20 Jahren erfolgreich sein können.

Rasch auf Neues einstellen

„Mentale oder sonstige Maschinenstürmerei oder Retro-Träumerei“ seien jedenfalls keine passenden Antworten, sagt Androsch: „Wir müssen uns auf die neuen Möglichkeiten einstellen.“ Davon hänge es ab, ob sich unser Wohlstand künftig auch bewahren lässt. Um die Herausforderungen der Cyberwelt zu bewältigen, brauche es einerseits die passende Infrastruktur, etwa ein flächendeckendes Netzwerk, das 5G-Standards erfüllt. Und andererseits eine digitale Alphabetisierung, die vor allem von den Schulen und den Universitäten kommen müsse, drängt Androsch.

Das sieht IV-Chef Kapsch ein wenig anders. Für ihn ist die Diskussion hochgespielt. Probleme seien vielmehr die in den vergangenen Jahren deutlich angestiegene Analphabetenrate und ein Mangel an Allgemeinbildung. Anstatt zu diskutieren, ob jede Klasse W-Lan braucht, solle man lieber schauen, wo die Defizite wirklich liegen, sagt Kapsch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2017)

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