Bosse verweigern Jubel über Brexit

Nicht nur die Londoner City rüstet sich für den Brexit, erklärt Ian Stewart, Chefökonom von Deloitte UK.
Nicht nur die Londoner City rüstet sich für den Brexit, erklärt Ian Stewart, Chefökonom von Deloitte UK. (c) APA/AFP/BEN STANSALL (BEN STANSALL)
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Die Regierung sucht vergeblich mehr Rückhalt in der Wirtschaft. Aber die Firmen bereiten sich fieberhaft auf den Brexit vor – auch für den Extremfall, weiß ein Experte.

Wien/London. Der Schuss ging kräftig nach hinten los. Eigentlich wollten die Berater von Premierministerin Theresa May den Briten vermitteln, wie begeistert und geschlossen das Big Business hinter der Regierung steht. Als Verhandler in Brüssel würde man den Brexit „zu einem Erfolg machen“ und dem Land „eine strahlende Zukunft sichern“: So steht es in einem vorformulierten offenen Brief, den man den Spitzen der börsenotierten Unternehmen mit der Bitte um baldige Unterschrift zuschickte. Noch diese Woche sollte er in Zeitungen erscheinen. Aber daraus wird wohl nichts. Denn viele Topmanager denken gar nicht daran, May den Rücken zu stärken. Stattdessen machen sie ihrem Unmut Luft, indem sie anonym mit Medien reden: „Wir wollen keinen Plan unterstützen, der uns enormen Schaden zufügt“, heißt es von einem, „Wir runzeln die Stirn darüber“ von einem anderen. „Wir unterschreiben nicht“ ist der breit berichtete Tenor. Und nun wissen die Bürger: Ihre Wirtschaftsführer, die immer für einen Verbleib in der EU waren, machen sich mehr Brexit-Sorgen denn je.

Manager lernen eigene Firma kennen

Wie sich die Konzerne im Hintergrund auf die Zeit danach vorbereiten, weiß Ian Stewart. Der Chefökonom von Deloitte UK berät Firmen in Sachen Brexit. Besonders eindringlich empfiehlt er: „Jedes Unternehmen muss einen Plan für den Extremfall haben“, wenn nämlich ein Abkommen mit der EU scheitert und die Zollschranken hochfahren. „Das ist nicht völlig unrealistisch, also ein Thema für das Risikomanagement.“ Dazu müssen die Manager aber erst einmal ihren eigenen Laden kennenlernen. Jahrzehntelang waren sie von einer immer stärkeren Integration in Europa ausgegangen. Jetzt müssen sie nachvollziehen, „wie ihre Lieferketten funktionieren, wo sie überall Standorte haben, wie ihre Finanzierungsvereinbarungen aussehen“. Der Berater vergleicht die Situation mit dem Kauf eines alten Hauses, in dem weder Wasser noch Strom fließt: „Da muss man auch erst einmal nachforschen, wo die Rohre oder Drähte liegen und welche Stahlteile die Konstruktion tragen.“

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