Luftfahrt

Air Berlin versinkt im Chaos

Nicht nur die Flugzeuge der Air Berlin blieben am Dienstag am Boden – 9000 Passagiere ebenso.  [ APA ]
Nicht nur die Flugzeuge der Air Berlin blieben am Dienstag am Boden – 9000 Passagiere ebenso. [ APA ](c) APA/dpa/Roland Weihrauch
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Im Finale der Verkaufsverhandlungen muss die insolvente Airline wegen kranker Piloten 100 Flüge streichen. Das Management reagiert scharf und spricht von Existenzbedrohung.

Berlin/Wien. „Ich krieg gleich einen Heulkampf“, sagt Patricia. In der Hand hält sie einen Zettel von Air Berlin. Darauf bestätigt die Fluglinie, dass es für ihren gestrichenen Flug keinen Ersatz gibt in den nächsten 48 Stunden. Damit gehen Patricia und ihr Ehemann nun zur Reisegellschaft. Vier Stunden ist das Berliner Paar für diesen Zettel angestanden. Eigentlich sollten sie in Athen sein, dann in Ägypten. Sie sind aber an diesem Dienstag noch immer auf dem baufälligen Flughafen Tegel.

Mitten in den finalen Verhandlungen um eine Auffanglösung für die Pleite-Airline eskaliert die Lage: Weil sich 200 der 1500 Piloten krankgemeldet haben, musste die insolvente Fluglinie am Dienstag rund 100 Flüge – vorrangig in Berlin – streichen. Rund 9000 Passagiere waren betroffen.
Das Chaos und die „Revolte der Piloten“, wie die „Bild“-Zeitung schrieb, verschärfen die ohnedies angespannte Situation bei der deutschen Airline und ihrer Österreich-Tochter Niki. Denn Passagiere, die Air Berlin noch die Treue hielten, wurden nun auch verprellt. Erst am Montag kündigte die Airline die Einstellung aller Karibik-Flüge per 25. September an.

Staatskredit hält nicht lang

Es ist ein Teufelskreis: die Passagiere blieben schon in den vergangenen Wochen aus, daraufhin wurden Flüge gecancelt. Jetzt setzen die Piloten noch eins darauf – und die Passagiere bleiben erst recht aus. Zwei bis vier Mio. Euro verbrennt die Air Berlin derzeit – täglich. Das heißt, dass der Staatskredit von 150 Mio. Euro nicht lange vorhält.

Umso mehr steigt der Zeitdruck auf das Management, den Generalbevollmächtigten Frank Kebekus und den Sachwalter Lucas Flöther. Dem Vernehmen nach könnte daher eine Grundsatzentscheidung über den oder die Käufer noch vor der für 21. September angesetzten Gläubigerausschusssitzung fallen – möglicherweise am Freitag. Bis dahin müssen verbindliche Angebote gelegt werden. Als Favorit gilt die Lufthansa, Interesse haben auch EasyJet und Condor sowie die Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl und Niki Lauda angemeldet. Hinter letzterem soll Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz als Finanzier stehen. Die Zeit drängt nicht nur wegen des drohenden Finanzkollaps. Die Politik will das Problem Air Berlin noch vor der Bundestagswahl am 24. September gelöst haben.

Beim Air Berlin-Management liegen die Nerven blank: Kebekus reagierte harsch: „Die heutigen Ereignisse gefährden das gesamte Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung massiv. Wenn sich die Situation nicht kurzfristig ändert, werden wir den Betrieb und damit jegliche Sanierungsbemühungen einstellen müssen.“ Air-Berlin-Boss Thomas Winkelmann sprach von einem „Spiel mit dem Feuer“. Allein der Tag koste mehrere Millionen. Ein stabiles Geschäft sei aber die „zwingende Voraussetzung“ für ein Gelingen der Verhandlungen mit Investoren, mit denen man sich in finalen Gesprächen befinde.

Gewerkschaft distanziert sich

Hintergrund der Krankmeldungen dürfte die Auseinandersetzung über den Wechsel der Piloten zu neuen Besitzern – und damit in andere Tarifverträge – sein. Der Präsident der Vereinigung Cockpit (VC), Ilja Schulz, äußerte in der „Rheinischen Post“ seine Befürchtung, dass vor allem die gut bezahlten Langstreckenpiloten ihren Job verlieren könnten. Die VC distanzierte sich aber gleichzeitig von der Vorgangsweise der Air-Berlin-Kollegen: „Zu keinem Zeitpunkt hat die VC dazu aufgerufen, sich krank zu melden.“

Gewerkschafter waren in Tegel auch keine zu sehen. Am Ende der langen Menschenschlange im Terminal A sitzen zwei Air-Berlin-Mitarbeiter und tippen ohne Unterlass in den Computer. Ein Düsseldorfer hat es auf der Hotline versucht, nachdem er in der Nacht eine Nachricht bekommen hatte, dass sein Flug gestrichen sei. Dort hob aber niemand ab – elektronisch umbuchen ging auch nicht. Also fuhr er wie so viele doch nach Tegel. Gegen den Rat von Air Berlin. „Wie ist der Service?“ „Welcher Service?“, fragt Anna zurück, die eigentlich im Flieger Richtung Tokio sitzen sollte. Ihr tun die zwei Air-Berlin-Mitarbeiter dennoch leid: „Die müssen das das Ganze jetzt ausbaden und nebenbei noch um ihren Job bangen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2017)

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