Wolfgang Schäuble - ein Schlussakkord in Moll

Der Kreis schließt sich für Wolfgang Schäuble
Der Kreis schließt sich für Wolfgang SchäubleAFP (ERIC BARADAT)
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Wolfgang Schäuble verabschiedet sich von der Weltbühne der Finanzpolitik. Der scheidende deutsche Finanzminister machte nie einen Hehl draus, dass er das Agieren auf der internationalen Bühne genoss.

Der Kreis schließt sich für Wolfgang Schäuble. Standesgemäß bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington, bei der sich alles von Rang und Namen in der internationalen Geld- und Finanzpolitik ein Stelldichein gibt, verabschiedet er sich am Samstag von der Weltbühne der Finanzpolitik. Ein paar Wochen fehlen, dann wären es genau acht Jahre her gewesen, dass der heute 75-jährige Mann im Rollstuhl mit dem kuriosen Englisch erstmals auf dieser Bühne erschien. Das war an einem regnerischen Freitag, dem 6. November 2009, im schottischen St. Andrews. Auch damals stand eine Konferenz der G20-Finanzminister an, ebenso, wie er sie jetzt, am Rande der IWF-Konferenz, ein letztes Mal besucht.

Ein bisschen Wehmut beschleicht Schäuble, den weltweit ebenso geachteten wie gefürchteten Vollblutpolitiker, schon auf dem Weg in die US-Hauptstadt, wie er freimütig einräumt. "Acht Jahre sind eine lange Zeit", sinniert er. Noch ein bisschen Arbeit, und "dann isch over". Viele Kollegen will er noch einmal treffen, manche echte Freunde, wie IWF-Chefin Christine Lagarde, zu der er seit Jahren ein besonders herzliches Verhältnis pflegt. Die nennt ihn zum Abschied "einen Felsen, einen Giganten". Sie gesteht: "Ich bin traurig, dass er geht."

US-Finanzminister Steven Mnuchin, der es dem Gastgeber Schäuble bei der G20-Konferenz in Baden-Baden Anfang des Jahres alles andere als leicht machte, hat ihn zum Essen eingeladen. Der oft so harte Mann wird milde. "Ich bin mit mir im Reinen." Und die deutsche G20-Präsidentschaft, die er an seinen argentinischen Kollegen übergibt, habe man gut hingekriegt.

Immer ein Schuss Selbstironie

In diesen acht Jahren hat sich Schäuble einen Ruf verdient. Er wurde zu einer der vernehmbarsten Stimmen in der internationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik. Dabei hat er seinen Grundsatz, dass am Ende nur eine solide Budgetpolitik, Ausgabendisziplin und das Befolgen einmal aufgestellter Regeln Erfolg bringen, für manche Kritiker überstrapaziert. "Ich war nicht leicht zu ertragen", gibt er zu. Häufig musste er sich mit seinen Positionen etwas alleine fühlen gegenüber all denen - allen voran die USA und der IWF -, die von Deutschland immer wieder mehr Ausgabenfreude forderten, um das schleppende Welt-Wachstum zu befeuern. Just zu seinem Abschied, es scheint, wie ein Abschiedsgeschenk, ändert sich der Wind. Plötzlich spricht auch der IWF mahnend vom Schuldenabbau, von soliden Haushalten. Eine Genugtuung für Schäuble, wie er zugibt.

Aber Schäuble will und wollte immer mehr sein als der sture Spar-Apostel - ihm ging es um Vertrauen, dass er wieder in die Märkte und ihre Akteure zurückbringen wollte. Er war es abseits dessen auch, der 2012 in Mexiko-City mit seinem Kollegen aus Großbritannien bei einer G20-Konferenz die BEPS-Initiative gegen Steuerflucht und gezielte Steuervermeidungsstrategien von international tätigen Unternehmen lostrat. Schäuble begab sich immer mitten hinein ins Kampfgetümmel. Ob es um mehr Stabilität ging, um Regeln dafür, mehr Risikovorsorge, neue Sicherheitspolster oder um die internationale Kritik am übermäßig hohen deutschen Überschuss in der Leistungs- und Handelsbilanz - der streitbare Mann rang an vorderster Front. Als Gegner war Schäuble ein harter Brocken.

Der scheidende deutsche Finanzminister machte nie einen Hehl draus, dass er das Agieren auf der internationalen Bühne genoss, die Auftritte von Moskau bis Shanghai, von Ankara bis Tokio und Washington liebte. Er genoss es, die Dinge mit der ihm eigenen Ironie zu kommentieren, sich dabei auch immer wieder selbst zu persiflieren. Mit einem Augenzwinkern merkte er schon mal an, er nutze alle zur Verfügung stehenden Grausamkeiten, darunter die schlimmste: sein eigentümliches, etwas holpriges Englisch. Seine Wortgeschöpfe sind Legende, wie die - vor Zuhörern in Asien - zur Causa Griechenland: "It will not happen that there will be a Staatsbankrott in Greece." Zurecht wies er einmal darauf hin: "Englisch ist bei mir immer ein interessantes Abenteuer." Oder er entschuldigte sich: "Mir tut jeder leid, der mein Englisch ertragen muss."

In seiner neuen Funktion, als Bundestagspräsident und damit als zweiter Mann im Staat, der er werden soll, wird Schäuble dieses Folterinstrument nicht mehr so häufig einsetzen müssen. An den Verhandlungen über eine neue Regierungskoalition will der Mann, der über Jahrzehnte einer der bestimmenden Politik-Macher in Deutschland war, nicht mehr teilnehmen. Nach der Rückkehr aus Washington ist dieses Kapitel im Leben des Wolfgang Schäuble vorbei. Er selbst hat sich eine Phase der Abkühlung verordnet. "Wenn ich mir selber einen Rat geben würde, würde ich mir sagen: Tue dich nicht zu allem öffentlich äußern, was dich gar nichts angeht", lässt er die Zuhörer wissen. Aber nach kurzer Pause räumt er ein, das zu befolgen, sei schwer.

(Reuters)

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