Der Fall Hypo: Herr Berlin und seine Investoren

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Der Skandal um den Verkauf der Hypo Alpe Adria an die BayernLB erschüttert die CSU und stürzt die Partei in ein Umfragetief. CSU-Chef Seehofer fordert nun Schadenersatz auch von Kärnten.

Horst Seehofer hat sich das diesjährige Treffen im romantischen Wildbad Kreuth anders vorgestellt. Statt sich als Herr über die CSU und den Freistaat huldigen zu lassen, steht der bayerische Ministerpräsident gleich mehrfach unter Druck. Nicht nur eine neue Umfrage, bei der die CSU nur Zustimmungswerte um die 35 Prozent erreicht haben soll, und parteiinterne Grabenkämpfe – wie etwa die Forderung nach einem CSU-eigenen Vizekanzler – lassen keine Hochstimmung aufkommen. Das Milliardendesaster rund um die BayernLB und deren Tochter Hypo Alpe Adria sägt gehörig an Seehofers Sessel.

Der erst seit einem Jahr amtierende Politiker will deshalb hart durchgreifen. Knapp vor Silvester haben die Oppositionsparteien im bayerischen Landtag gefordert, dass die Profiteure des Verkaufs der Hypo an die BayernLB ihren Gewinn von rund 150 Millionen Euro zurückzahlen. Seehofer will sich „Presse“-Informationen zufolge nicht nur dieser Forderung anschließen. Er will mehr – genau gesagt 800 Millionen Euro. Neben den 150 Millionen Euro von Berlin & Co. Capital S.a.r.l soll das Land Kärnten 650 Millionen Euro lockermachen.

Die Forderung Seehofers ist verständlich, er tritt die Flucht nach vorne an, etwa um das angekratzte Image aufzupolieren. Allein mit dem Hypo-Kauf „versenkte“ die BayernLB bisher 3,7 Milliarden Euro. Vor einem Jahr hatte die BayernLB außerdem vom Land eine Finanzspritze von zehn Mrd. Euro bekommen. Ob die Forderung allerdings realistisch ist, ist mehr als zu bezweifeln. Inzwischen muss sich nämlich bis München herumgesprochen haben, dass Kärnten praktisch pleite ist. Im sogenannten Zukunftsfonds sollen noch knapp 500 Mio. Euro liegen.


Staatsanwaltschaften ermitteln. Der von Tilo Berlin eingefädelte Verkauf der Kärntner Hypo an die BayernLB ist zwar nur ein Kapitel im Wirtschaftskrimi Hypo, allerdings ein besonders brisantes. Vermutet werden zum einen Insidergeschäfte, also kriminelle Absprachen, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Außerdem erhärtet sich der – hinter vorgehaltener Hand immer wieder geäußerte – Verdacht auf Parteienfinanzierung. Erstmals werden Summen kolportiert: 27 Mio. Euro sollen an das BZÖ, 13 Mio. Euro an die ÖVP geflossen sein. Landeshauptmannstellvertreter Josef Martinz (ÖVP), der Aufsichtsratschef jener Landesholding ist, die 2007 die Landesanteile an der Hypo verkauft hat, soll sich deshalb mit seiner Forderung nach voller Aufklärung nicht gerade leichttun, heißt es.

Berlin, der den abgelösten BayernLB-Chef Werner Schmidt aus der gemeinsamen Tätigkeit bei der Landesbank Baden-Württemberg kennt, hat eine Gruppe von Investoren um sich geschart, um bei der Hypo einzusteigen. Das ist bekannt. Ebenso, dass für 25 Prozent plus eine Aktie an der Hypo rund 600 Mio. Euro gezahlt wurden – wobei die BayernLB auch noch 400 Mio. Euro kreditierte. Dann wurde die Hypo an die BayernLB verkauft – Berlin und Co erhielten 750 bis 780 Mio. Euro. Kein schlechter Schnitt für die Investoren, deren Namen Berlin nicht nennen will.

Muss er möglicherweise auch nicht: Ein Mitarbeiter der Hypo dürfte offenbar brav mitgeschrieben haben. Der Mann, der anonym bleiben möchte, behauptet, eine Liste mit 47 Namen zu besitzen, die sich wie das Who's who der österreichischen Industrieprominenz lesen soll. Der Bankmitarbeiter will sich allerdings, wie die „Presse“ erfuhr, das brisante Konvolut teuer abkaufen lassen – schließlich müsse er sich eine neue Existenz aufbauen. Vielleicht findet sich bald ein edler Spender.

Einige Namen sind ohnedies schon bekannt: Neben dem Präsidenten der Industriellenvereinigung, Veit Sorger (er hat den Gewinn auf ein Treuhandkonto gelegt), sollen auch Kika/Leiner-Chef Herbert Koch und die Flick-Stiftung mit von der Partie gewesen sein. Neu ist Ex-Mayr-Melnhof-Boss Michael Gröller. Auch in Bayern zittern vermögende Familien, die bei dem Deal mitgemacht und gut verdient haben, um ihren Ruf, schreibt die „Süddeutsche“.

Warum wurde beim Hypo-Verkauf überhaupt der Umweg über Berlin und seine Investoren gewählt? Warum haben die Bayern letztlich so viel mehr Geld für eine marode Bank hingelegt? Wo ist das Geld, das Berlin und Co lukriert hatten, hingeflossen?


Wo sind die Millionen? Fragen über Fragen, mit denen sich die Staatsanwaltschaften in München und nun auch in Wien beschäftigen. Derzeit wird in München nur gegen Schmidt wegen des Verdachts der Untreue ermittelt – für ihn gilt natürlich die Unschuldsvermutung. Die Opposition im bayerischen Landtag fordert, dass auch gegen Berlin ermittelt wird.

Der Verdacht auf Insidergeschäfte ist übrigens nicht neu: Er tauchte schon im Untersuchungsausschuss des Kärntner Landtags auf, der den Deal 2007 untersuchte. Die Verdachtsmomente blieben ohne Folgen, der Hypo-Verkauf wurde im Landtag als lupenrein und korrekt abgesegnet. Im Ausschuss hatten damals der 2008 tödlich verunglückte Landeshauptmann Jörg Haider (BZÖ) und Hypo-Aufsichtsratschef Wolfgang Kulterer ausgesagt, erst im März 2007 vom Kaufinteresse der Bayern Kenntnis erlangt zu haben. Die bayerische Justiz weiß inzwischen von konkreten Gesprächen schon im Jänner und Februar 2007.

Der Kärntner Grünenchef Rolf Holub behauptet, das diese Gespräche absichtlich verschwiegen worden seien. Er hat laut „Spiegel“ eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Untreue, des Amtsmissbrauchs und des Betrugs erstattet. Im Visier soll er Kulterer, Berlin und Ex-Hypo-Vorstand Günter Striedinger haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2010)

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