"Sinnbefreite Absiedlung" des Umweltbundesamts sorgt weiter für Wirbel

APA/GEORG HOCHMUTH
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Das Umweltbundesamt wird, so hat es Umweltminister Rupprechter beschlossen, nach Klosterneuburg übersiedeln. Die Mitarbeiter sind empört. Der WWF befürchtet eine Entmachtung der Behörde. Die Stadt Wien ist sauer, weil ihr Angebot von Grundstücken in Aspern ausgeschlagen wurde.

Geht geht es nach dem Willen von Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP), so ist die gestern angekündigte Übersiedelung des Umweltbundesamtes von Wien nach Klosterneuburg erst der Anfang: Weitere Bundesbehörden sollen aufs Land - die "Presse" berichtete

Im Zuständigkeitsbereich des Ministers könnten schon bald die für Wien, Niederösterreich und das Burgenland zuständige Abteilung der Wildbach- und Lawinenverbauung sowie das Institut für Bergbauernfragen folgen. Es sei einigermaßen "absurd" Bergbauernfragen in Wien abzuhandeln. Im Landwirtschaftsministerium denkt man deshalb etwa daran, das Institut nach Tirol zu verlegen. Das Bundesamt für Wasserwirtschaft sei schon im Vorjahr von Wien nach Scharfling am Mondsee in Oberösterreich übersiedelt.

64 von 68 österreichischen Bundesbehörden sind derzeit in Wien angesiedelt. Rupprechter drängt seit Monaten auf eine Dezentralisierung. Wenn es sinnvoll sei, gehörten Behörden in die Regionen verlagert. Das führe auch zu einer Stärkung des ländlichen Raums, erklärte der Landwirtschafts- und Umweltminister bei verschiedenen Gelegenheiten. Laut einer Studie der Innsbrucker Institute für Föderalismus beziehungsweise Verwaltungsmanagement könnten realistischerweise bis zu 3.500 Bundesdienststellen aufs Land verlagert werden.

Im Vergleich zur Schweiz, Deutschland und einer Reihe anderer europäischer Staaten ist die heimische Verwaltung stark zentralistisch und auf die Bundeshauptstadt Wien konzentriert. Einige Bundesländer hätten deshalb mit einem starken Abzug von Fachkräften zu kämpfen. Laut der vom Landwirtschafts- und Umweltministerium beauftragten Studie würden so in den kommenden zehn Jahren rund 50.000 Personen aus Bundesländern wie Kärnten, der Steiermark oder Tirol Richtung Bundeshauptstadt abwandern.

Im digitalen Zeitalter gebe es immer weniger Argumente, eine Dezentralisierung der Bundesverwaltung abzulehnen. Die Verlagerungen würden aber einmalige (Umzugs-)Kosten verursachen und massiv in die Lebenssituation der Mitarbeiter eingreifen. Dezentralisierung könne deshalb nur mit den Mitarbeitern und in einem Change-Management-Prozess erfolgen, so Rupprechter.

Die österreichische Bundesverwaltung beschäftigt derzeit in den Zentralstellen und im nachgelagerten Bereich mehr als 130.000 Personen. Da viele Verwaltungsorganisationen wie Schule, Heer, Polizei ohnehin in der Fläche arbeiten, komme für eine Dezentralisierungsstrategie vor allem der klassische Verwaltungsdienst infrage. Das sind knapp 45.000 Personen, wie es in der Studie heißt. Nach Abzug jener Mitarbeiter, die schon jetzt beispielsweise in Finanzämtern am Land arbeiten, verbleibe eine Größenordnung von rund 35.000 Personen. In zehn Jahren könnten davon realistischerweise 3.500 Bundesdienststellen in Regionen außerhalb Wiens verlagert werden.

Mitarbeiter empört

Kritik an der geplanten Übersiedlung des Umweltbundesamtes von Wien nach Klosterneuburg kommt von der Belegschaft der Bundesbehörde. Betriebsratsvorsitzende Monika Brom kritisierte im Ö1-"Mittagsjournal" die Informationspolitik durch Umweltministerium und Behördenleitung. "Die Mitarbeiter waren sehr empört, dass sie aus den Medien diese Übersiedlungspläne kommentiert bekommen haben", sagte Brom.

Der Betriebsrat sei erst am Montag im Aufsichtsrat informiert worden, dass eine Übersiedlung nach Niederösterreich zur Diskussion stehe, von einer endgültigen Entscheidung sei dabei keine Rede gewesen. Am Dienstag sei man dann durch die Pressekonferenz von Umweltminister Andrä Rupprechter  und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner vor "vollendete Tatsachen gestellt" worden, so Brom weiter. Die Betriebsrätin monierte darüber hinaus mangelnde Transparenz bei der Begründung der Entscheidung sowie möglicher Alternativen.

Für den Großteil der rund 520 Mitarbeiter, die ab 2022 in Klosterneuburg arbeiten sollen, bedeute der Umzug längere Anfahrtswege. Der ökologische Fußabdruck werde wahrscheinlich höher als jetzt, meinte Brom. Die Betriebsrätin forderte die Einbindung der Mitarbeiter "auf Augenhöhe", eine Diskussion über mögliche Alternativen und - falls die geplante Übersiedlung unumkehrbar ist - die bestmögliche Lösung für die Belegschaft. Brom nannte etwa die Anrechnung von Anfahrzeiten oder auch die Möglichkeit zur Telearbeit.

Positiv reagierte indes Umweltbundesamt-Geschäftsführer Georg Rebernig. Die Kosten für die Übersiedlung sind mit 46 Millionen Euro veranschlagt, 37 Millionen übernehmen Land und Bund. Rebernig im ORF-Radio: "Das Umweltbundesamt bekommt Geld dafür, dass wir überhaupt einen neuen Standort bekommen." Die derzeit auf vier verschiedene Standorte in Wien aufgeteilte Behörde sei sanierungsbedürftig, die geplante Übersiedlung deshalb wirtschaftlich sinnvoll.

Wien ortet Wien-Bashing

Laut Rupprechter wolle man Wien damit "nicht schwächen, sondern entlasten". Die Stadt wachse ohnehin sehr stark. In Wien sieht man dies anders. Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) erneuerte am Mittwoch ihre Kritik am geplanten Abzug des Umweltbundesamts nach Klosterneuburg und bot im Gegenzug ein Grundstück in der Seestadt Aspern an. "Wir haben schon mehrmals Angebote gemacht, bislang wurde die Absiedelung aber eiskalt in Abrede gestellt und unsere Bemühungen ignoriert", meinte Sima. Auf alle Nachfragen und Angebote sei stets erklärt worden, dass ein Umzug nicht geplant ist. Sima bezeichnete die Vorgangsweise als Wien-Bashing, Vorarbeit für Schwarz-Blau und warf Rupprechter Gesetzesbruch vor.

Kritik kam zudem von Infrastruktur- und Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ). Eine Übersiedlung des Umweltbundesamts vor die Tore Wiens stärke nicht den ländlichen Raum, sondern verlängere nur den Arbeitsweg für über 500 Mitarbeiter. "Das ist auch verkehrspolitisch ein Unfug, denn das bedeutet mehr Autos, Staus und Abgase. Als wahren Grund könnte man eher vermuten, dass der Umweltminister der niederösterreichischen Landeshauptfrau ein Geschenk für den kommenden Landtagswahlkampf machen will", so Leichtfried. Der Minister kritisierte auch die Kosten für den Umzug. "Nach der Wahl zeigt Schwarz-Blau sein wahres Gesicht. Bei denen, die sich nicht wehren können, wird gespart. Doch um die eigene Klientel zu bedienen, sind schnell 50 Millionen Euro aus dem Hut gezaubert."

Auch der WWF Österreich kritisierte die geplante "sinnbefreite" Absiedlung des Umweltbundesamts. „Anstatt sinnvolle Umweltprojekte zu fördern, sollen 46,5 Millionen Euro in eine Übersiedlung investiert werden, deren Nutzen mit freiem Auge nicht erkennbar ist", sagte Hanna Simons, Leiterin der Natur- und Umweltschutzabteilung und stellvertretende Geschäftsführerin beim WWF Österreich.  Der WWF werde genau beobachten, ob es parallel zur Übersiedlung auch zu einer Entmachtung des Umweltbundesamts kommen soll. Simon: „Das Umweltbundesamt liefert mit seinen unabhängigen und kritischen Analysen die Grundlagen für eine wirksame Umweltpolitik Österreichs und muss ein starker Anwalt für unsere Natur bleiben."

Rupprechter will sich vom Widerstand gegen sein Vorhaben aber nicht irritieren lassen und sein Konzept der Behörden-Dezentralisierung fortsetzen. "Selbstverständlich bleibt er da auf Kurs", hieß es am Mittwoch im Ministerium.

(APA)

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