Steueroasen: Wir basteln einen Weltkonzern

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Oase(c) AP (JOHN MOORE)
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Insider wissen: Nur arme Leute zahlen Steuern. Für den Rest gibt es Steueroasen. Ein (nicht zur Nachahmung empfohlener) Blick auf das, was möglich wäre – wenn man sich ein wenig auskennt.

Steuern zahlen ist was für arme Leute“, hat eine amerikanische Milliardärin vor einiger Zeit gesagt. Und ist dafür öffentlich gescholten worden. Dabei hatte sie recht: Wer sich auskennt und ein wenig Geld hat, versteuert wohl nur einen kleinen Teil seines Einkommens in Österreich. Und da wahrscheinlich steuerbegünstigt in einer Privatstiftung. Für den Rest gibt es beispielsweise Trusts und Briefkästen in Steuerparadiesen. Wer sein gesamtes Einkommen zum Höchststeuersatz in Österreich versteuert, ist entweder Angestellter mit automatischem Lohnsteuerabzug – oder nicht ganz bei Trost.

Man kann sein Vermögen natürlich auch von einer österreichischen Bank aus verwalten. Und zahlt dann für die Erträge zwischen 25 Prozent (KeSt) und 50 Prozent (Wertpapierverkäufe innerhalb der Spekulationsfrist) Steuer. Man kann es auch in einer österreichischen Privatstiftung vermehren. Dann gehen von den Erträgen zwischen null Prozent (beispielsweise Dividenden und ausländische Unternehmensverkäufe) und 25 Prozent an den Finanzminister ab. Ausschüttungen an Begünstigte werden auf jeden Fall mit 25 Prozent besteuert. Wer aber den Zinseszinseffekt kennt, der sieht, dass eine Stiftung schon wesentlich steuerfreundlicher ist.

Freilich: Auf Aruba, den Virgin Islands, den Seychellen oder in Jebel Ali sind Steuern für ausländische Briefkästen überhaupt ein Fremdwort. Lästige Dinge wie Aufzeichnungspflicht, Bilanzierung oder Prüfung kennt man dort nur vom Hörensagen.

Für ein paar tausend Euro. Sie meinen, das sei nur etwas für richtige Geldsäcke, weil so ein Weltkonzern ja nicht billig ist? Anfänger! Mit ein paar tausend Euro ist man dabei. Wie das geht, schauen wir uns jetzt am Beispiel des PR-Fuzzis Hugo Bschistranek (die handelnden Personen sind natürlich frei erfunden, jede Ähnlichkeit mit lebenden, toten oder scheintoten Personen daher rein zufällig) an.

Bschistranek hat beste politische Beziehungen, und da fallen eben verschiedene „Beratungstätigkeiten“ im In- und Ausland an. Es geht nicht um Summen, die dem fünften Julius aus dem Hause Meinl lange Zähne machen würden. Aber ein paar Hunderttausend bis ein paar Millionen sind es auch jedesmal. Lässt sich Bschistranek das auf sein österreichisches Konto überweisen, werden 50 Prozent Steuer fällig. Und vom Rest muss er wohl auch noch die (selbstverständlich vom Bruttobetrag gerechneten) „üblichen fünf bis 10 Prozent“ für „die Partei“ abzweigen. Das ist natürlich öd.

Herr Bschistranek braucht also einen Weltkonzern, der ihm zumindest die Steuer erspart. Die Suche nach Helfern ist nicht allzu schwer: Eine Reihe von internationalen Anwaltskanzleien ist darauf spezialisiert. Bschistranek entscheidet sich für die Londoner Kanzlei Coldwell, Seymour & Robinson– und ist nicht nur über die Preisliste, sondern auch über die Auswahl entzückt: Empfohlen werden die Seychellen, zur Verfügung stehen aber 54 Oasen, von A wie Aruba bis Z wie Zypern.

Europäische Firmensitze wie Zypern oder Liechtenstein scheiden eher aus. Die sind zuletzt durch ein paar Skandale ins Gerede gekommen, ein Konto in Liechtenstein gilt ja schon beinahe als Selbstanzeige bei der Finanz. Die Briten raten zur Auswahl unter vier Destinationen, die sichere Gesetzgebung und politische Stabilität aufweisen und trotzdem günstig sind: Seychellen, Belize, Panama und der US-Staat Delaware.

Die vier Destinationen scheinen Bschistranek interessant: Es gibt für ausländische Firmen keinerlei Steuern und nur sehr wenige Einschränkungen für die Geschäftstätigkeit. Nur im Land selbst dürfen sie nicht tätig werden. Eine Unternehmensgründung dauert gerade einmal 24 Stunden, man muss nicht einmal selbst hinfahren, und das Beste: Sie kostet ganze 680 Euro.

Bschistranek gründet also die „Ab & Zock Ltd.“ auf den Seychellen. Die wird künftig über Zwischenstationen Vertragspartner seiner Kunden sein, denn für ausländische Offshore-Unternehmen gibt es auf den Seychellen keine Steuern. Allerdings: Das Modell ist aus österreichischer steuerrechtlicher Sicht natürlich völlig illegal (weshalb von einer Nachahmung dringend abgeraten wird), denn Bschistranek hat seinen Wohnsitz ja in Österreich – und müsste deshalb hier Steuer berappen.

Und hier hat unser Held ein Problem: Im Handelsregister der Seychellen scheint sein Name auf. Die dortigen Behörden werden der österreichischen Finanz zwar niemals Auskunft geben, aber Dokumente finden oft auf wundersame Weise Wege, die einem eher nicht recht sind. Es gilt also noch einmal in die Kassa zu greifen und die treuhändische Eintragung zu buchen. Kostet 490 Euro – und bringt ruhigen Schlaf. Denn jetzt scheint der Name nirgends mehr auf. Außer natürlich auf Geschäftsdokumenten mit der britischen Kanzlei. Die sollte Bschistranek (für den Fall einer Hausdurchsuchung) also eher nicht im Schlafzimmertresor aufbewahren.

Die Firma ist jetzt prinzipiell geschäftsfähig. Um ein Konto zu eröffnen, braucht sie aber noch eine „Apostille“, die die Echtheit der Urkunden beglaubigt, und ein „Certificate of Incumbery“. Kein Problem: Wird für je 90Euro mitgeliefert. Falls jemand mit der Ab & Zock in Kontakt treten will, sind Adresse sowie Telefon- und Faxnummer praktisch. Wieder kein Problem: Für 990 Euro gibt es ein Jahr lang das „Professional Büroservice“. Wenn jetzt jemand die Seychellen-Nummer Bschistraneks wählt, wird sein Anruf auf dessen österreichischen Anschluss durchgeroutet (was blöderweise Spuren legt), für etwas mehr gibt es „Sekretariatsservice“. Praktisch.

Jetzt braucht die „Ab & Zock Ltd.“ noch ein Konto. Dafür bieten sich nähere (und sicherere) Destinationen an. Beispielsweise die Schweiz. 490 Euro verlangen die Advokaten für die entsprechende Kontoeröffnung. Auf den Namen der Firma, selbstverständlich.

Damit sind wir schon bei der Frage, wie Bschistranek seine steuerfreien Einkünfte unbemerkt in die eigene Tasche bekommt. Nun: Im 490-Euro-Kontopaket ist eine Company-Card enthalten. Mit der an jedem Geldautomaten der Welt Bares behoben werden kann. Mit einem Tageslimit von 10.000 Euro, was im Normalfall reichen sollte. Und natürlich auf Namen und Rechnung der „Ab & Zock“. Selbst eine Hausdurchsuchung bei Visa ließe da den Blutdruck nicht steigen.

Grundstein gelegt. Jetzt hat Bschistranek den Grundstein gelegt. 2840 Euro hat der Spaß gekostet. Für die Folgejahre werden nur noch je 1800 Euro fällig. Wenn unser Held dieses Spielchen beispielsweise in Belize, Delaware und Panama wiederholt, kann er für ein paar Tausender ein nettes, verwirrendes Geldringelspiel in Gang setzen. Eines, bei dem die Moneten endgültig auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Zumindest für die Steuerbehörden.

Natürlich geht es auch noch dicker: Die Errichtung einer Steuerparadies-Stiftung, eines Trusts oder einer Holding schlägt schon mit je 8000 Euro zu Buche. Und für eine autorisierte Banklizenz werden satte 150.000 Euro fällig. Aber so dick will Bschistranek nicht auftragen.

Ihm reicht es ja, daheim gerade so viel Steuern zahlen zu müssen, dass die Finanz nicht hellhörig wird. Und wenn das doch passiert, hat er gute Karten: Bei der richtigen Vernetzung geht eine strafbefreiende Selbstanzeige, wie Beispiele aus jüngster Zeit gezeigt haben, oft auch dann noch durch, wenn es dafür für einen Normalbürger eigentlich schon zu spät ist.

Funktionieren dürfte das Spiel noch einige Zeit: Die OECD hat Steueroasen zwar auf dem Radar und auch einige Finanzminister – etwa der deutsche – würden gern ihre Kavallerie losschicken. Aber solange Finanzgroßmächte wie Großbritannien (British Virgin Islands, Jersey und andere) und die USA (Delaware) selbst solche Oasen betreiben, wird es sie wohl weiter geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2010)

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