Steiermark: Gemeinden vor dem Finanz-Kollaps

Steiermark
Steiermark(c) Www.BilderBox.com (Www.BilderBox.com)
  • Drucken

80 Prozent der steirischen Gemeinden sind verschuldet, Kontrollsysteme fehlen. Nur noch 13,4 Prozent der 335 befragten Gemeinden geben explizit an, schuldenfrei zu sein. Die Wirtschaft bangt um Investitionen.

GRAZ. Den steirischen Kommunen steht finanziell das Wasser bis zum Hals. Laut einer aktueller Untersuchung sind 82,4 Prozent budgetär bereits unter Wasser, also verschuldet. Nur noch 13,4 Prozent der 335 befragten steirischen Gemeinden geben explizit an, schuldenfrei zu sein. Jede fünfte Gemeinde weist einen Verschuldungsgrad von mehr als zehn Prozent aus (gemessen an den Einnahmen). Betroffen davon sind vor allem Kleingemeinden mit weniger als 2500 Einwohnern.

Die der „Presse“ vorliegende Studie des Grazer „Krisenkompass“-Instituts und der steirischen Wirtschaftskammer bestätigt eine Entwicklung, vor der auch der Gemeindebund bereits eingehend gewarnt hat. Besserung ist keine in Sicht: 82 Prozent der befragten Bürgermeister geben an, mit einer weiteren Verschlechterung zu rechnen, nur zwölf Prozent glauben an einen Aufschwung.

Kontrollsysteme fehlen

„Krisenkompass“-Chef Martin Zechner weist auf ein weiteres Manko hin: „Es fehlen adäquate Kontrollsysteme zur Krisenfrüherkennung.“ Nur jede zweite Gemeinde verfügt demnach über ein Controlling beziehungsweise ein Kennzahlensystem. „Die Probleme werden dadurch erst viel zu spät erkannt, wodurch vielfach ein langwieriger Sanierungsprozess notwendig wird“, bleibt Zechners Prognose pessimistisch.

(c) Die Presse / HR

Beim Präsidenten der steirischen Wirtschaftskammer, Ulfried Hainzl, schrillen die Alarmglocken. Da knapp 70 Prozent der Bürgermeister angeben, im Falle einer weiteren Verschlechterung der Finanzlage primär Investitionen stoppen zu wollen, fürchtet Hainzl um Aufträge und Arbeitsplätze. Zuletzt (2008) haben die steirischen Kommunen 291Mio. Euro investiert und als zweitgrößter Investor nach dem Bund damit hochgerechnet 3000 Jobs gesichert.

Jetzt warnt Hainzl vor einem „perspektivenlosen, tödlichen Mix“ für die Gesamtwirtschaft. Er unterstütze daher das von Rechnungshof-Präsident Josef Moser vorgeschlagene Herabsetzen der Einwohnerzahl als Limit, ab der der Rechnungshof die Gemeindefinanzen selbstständig prüfen darf. Derzeit liegt die Grenze bei mindestens 20.000 Einwohnern – Moser und Hainzl sind für eine Prüfmöglichkeit schon ab 10.000 Einwohnern. Als Alternative schlug Moser auch schon vor, das Budgetvolumen als Kenngröße heranzuziehen. Als Untergrenze nannte er zehn Millionen Euro. Die Grünen haben zuletzt wiederum die Pro-Kopf-Verschuldung ins Spiel gebracht, ab der der Rechnungshof aktiv werden soll.

Je nach Statistik reich oder arm

Das würde in der Steiermark zu einer kuriosen Situation führen. Nach der Steuerkopfquote (gemeindeeigene Abgaben plus Ertragsanteile, geteilt durch die Bevölkerungszahl) gilt Bad Radkersburg aufgrund seiner kleinen Einwohnerzahl (1600) als „drittreichste“ steirische Gemeinde. Nimmt man jedoch die Pro-Kopf-Verschuldung als Kenngröße, ist der südoststeirische Thermenort die am höchsten verschuldete Gemeinde der Steiermark. Mit 9987 Euro führt man dieses Ranking laut Statistik Austria mit großem Abstand an. „Das sind Durchläufer“, beruhigt Radkersburgs Bürgermeister, Peter Merlini, gegenüber der „Presse“. Neben diversen infrastrukturellen Großinvestitionen habe man auch hohe Haftungen für Privatbetriebe übernommen beziehungsweise führe beispielsweise die Therme als Eigentümer.

Sorgenfrei ist aber auch Merlini nicht. Die Kostenexplosion bei den Sozialhilfeverbandsabgaben und der gleichzeitige Einbruch bei den Ertragsanteilen haben dazu geführt, dass Radkersburg heuer erstmals kein positives Budget mehr zustandebringt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.