Samsungs Sieg ist Schlag für Reformer

Auf der Bühne zurück: Der freigelassene Samsung-Erbe Jay Lee übernimmt wieder die Kontrolle über den Konzern.
Auf der Bühne zurück: Der freigelassene Samsung-Erbe Jay Lee übernimmt wieder die Kontrolle über den Konzern. (c) REUTERS (STRINGER)
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Dass der Erbe und De-facto-Chef von Samsung wieder auf freiem Fuß ist, zerstört die Hoffnungen vieler Bürger auf eine Begrenzung der Allmacht der Konglomerate. Zu Recht?

Wien/Seoul. Er konnte es selbst nicht fassen. Nach Verkündigung des Urteils stand Jay Lee auf, blickte ausdruckslos um sich und verließ errötend den Gerichtssaal, als freier Mann. Enttäuscht bis entsetzt reagierten viele Südkoreaner auf die Entscheidung der Berufungsrichter: Der wegen Korruption verurteilte Erbe und De-facto-Chef von Samsung, einem der größten Firmenimperien der Welt, darf nach einem knappen Jahr in Haft das Gefängnis verlassen. Die ursprüngliche Strafe von fünf Jahren haben die Richter halbiert und auf Bewährung ausgesetzt.

Verflogen ist damit die politische Aufbruchsstimmung, die im Frühling vorigen Jahres durch das südostasiatische Land ging. Hunderttausende protestierten damals in den Straßen von Seoul wegen des Korruptionsskandals, in den Präsidentin Park und Lee verwickelt waren. Das Verfassungsgericht setzte Park ab. Ihr Nachfolger Moon Jae-in gewann die folgenden Wahlen mit zwei Versprechen: den korrupten Filz von Politik und Großkapital zu bekämpfen und die Allmacht der „Chaebols“ zu brechen, jener Industriekonglomerate, unter denen Samsung das bei Weitem größte ist – der Mischkonzern erwirtschaftet 20 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung.

Gespaltene Gesellschaft

Dazu müsste aber auch die Justiz mitspielen. Lang ist die Liste der Firmengründer und Manager, die seit den 1990er-Jahren trotz eines rechtskräftigen Urteils wegen Bestechung oder Untreue nie in Haft mussten, weil sie auf Bewährung freikamen und das jeweilige Staatsoberhaupt sie alsbald begnadigte. Als dann im August ein Gericht Lee verurteilte, hatten viele Südkoreaner erstmals das Gefühl, nicht in der „Republic of Samsung“ zu leben, sondern in einem funktionierenden Rechtsstaat.

Wobei die Causa, die nun nach Anfechtung beider Seiten ans Höchstgericht geht, die Gesellschaft spaltet. Es sind vor allem die Jungen, die den extrem starken Einfluss der Konglomerate auf das öffentliche Leben satt haben. Die Älteren schreiben den Chaebols eher gut, dass sie den bitterarmen Agrarstaat in eine führende Wirtschaftsnation verwandelt haben.

Besonnene Gemüter geben zu bedenken, dass auch zu viel Druck der Zivilgesellschaft auf unabhängige Richter schädlich sei. Wenn im Fall des Samsung-Erben nicht mehr Strafe drin war, sei das eben zu akzeptieren. Wie aber argumentieren die Richter? Sie folgten der Linie der Anwälte: Präsidentin Park habe Lee mit Drohungen genötigt, Schmiergeld zu zahlen (es ging um Zuwendungen für Stiftungen einer engen Vertrauten und edle Pferde zur Förderung der Reitsportkarriere von deren Tochter). Lee hätte sich diesem Druck „nicht entziehen können“. Er habe aber nicht, wie von den Staatsanwälten behauptet, das Staatsoberhaupt aktiv bestochen, um sich den Sanktus der Politik für eine Fusion innerhalb der Firmengruppe zu holen, durch die er seine Macht absichern wollte. Außerdem sei es um geringere Beträge gegangen als von der Anklage behauptet, nämlich „nur“ um umgerechnet 2,7 Mio. Euro. Verschlechtert hat sich mit dem revidierten Urteil die Lage für die abgesetzte Präsidentin. Das Urteil für Park, die immer noch jede Schuld ableugnet, soll schon bald fallen.

Für Winterspiele gebraucht

Für Samsung ist die Rückkehr des 50-jährigen Thronerben jedenfalls eine gute Nachricht. Zwar scheint der Konzern unter dem Machtvakuum nicht gelitten zu haben, wenn man nur auf die Zahlen schaut: Das wichtigste Unternehmen im Bunde, Samsung Electronics, schrieb 2017 Rekordergebnisse. Das lag aber vor allem an einer extrem guten Konjunktur für Mikrochips, wo Samsung wie auch bei Smartphones globaler Marktführer ist. Größere Weichenstellungen fielen aus. So gab es statt fünf Übernahmen fremder Firmen 2016 im Vorjahr keine einzige. Einen längeren strategischen Stillstand kann sich niemand leisten, der im Tech-Markt mit seinem rasanten Tempo erfolgreich sein will.

Als Erstes besuchte der freigelassene Lee seinen Vater, der seit einem Schlaganfall im Jahr 2014 im Koma liegt. Er war zweimal verurteilt worden – 1996 wegen Bestechung, 2008 wegen Steuerhinterziehung – und kam beide Male ungeschoren davon. Im zweiten Fall, so heißt es, weil das Land seine Lobbymacht für den Zuschlag bei den Olympischen Winterspielen brauchte. Wenn das stimmt, ging die rechtlose Rechnung auf: Am Freitag geht es los. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2018)

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