Der Appetit auf gestohlene Steuerdaten wächst

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Die Datenaffäre zieht immer größere Kreise. Laut "Financial Times Deutschland" kursieren bereits mehrere Datensätze – oder wurden zumindest angeboten. Österreich setzt auf deutsche Amtshilfe.

Wien. Das hatten wir schon einmal, bei der Liechtenstein-Datenaffäre vor zwei Jahren: Deutschland kauft gestohlene Kontodaten von Bankkunden, die ihre Einkünfte am Finanzamt vorbei in eine alpenländische Steueroase geschmuggelt haben. Sind auch Daten heimischer Steuersünder auf der CD? Das Finanzministerium in Wien geht dieser Frage nicht aktiv nach und wartet auf Informationen aus Deutschland. Prompt hagelt es Prügel von der Opposition: Warum denn kein Rechtshilfeansuchen gestellt werde, und ob der Finanzminister die reichen Steuerhinterzieher schützen wolle, damit sie noch in aller Ruhe Selbstanzeige erstatten und ungestraft davonkommen können.

Ähnlich heute, nur geht es dieses Mal um Daten aus der Schweiz, und die Namen der Finanzminister haben sich geändert. „Pröll darf nicht zögern wie seinerzeit Molterer“, fordert der Budgetsprecher der Grünen, Werner Kogler. Doch wie schon 2008 bleibt das Finanzministerium gelassen: Ein Rechtshilfeansuchen wäre gar nicht möglich, weil es um keinen konkreten Verdacht geht, erklärt Pröll-Sprecher Harald Waiglein der „Presse“.

Es sei aber auch nicht notwendig, dank der „Spontanauskunft“, zu der sich alle EU-Mitglieder verpflichtet haben: Wenn ein Mitgliedsland Daten besitzt, die für eine andere Steuerverwaltung relevant sind, muss es diese weiterleiten – auch ohne Ansuchen. Rechtlich bedenkenlos verwertbar sind solche Daten dann allemal. So war es auch in der Liechtenstein-Affäre: Die Namen von 170 mutmaßlichen Steuersündern wurden den heimischen Finanzbehörden gemeldet.

Würde aber der österreichische Finanzminister zahlen, wenn ihm eine CD mit gestohlenen Daten angeboten wird? Für diese „tief greifende moralische Frage“ gäbe es keine fertige Antwort in der Schublade, gibt sich Waiglein bedeckt. Aber auch wenn es sie gäbe, würde das Ministerium damit nicht an die Öffentlichkeit gehen: „Da kann man nur alles falsch machen. Es ist wie beim Lösegeld für Geiseln: Wenn der Staat es schon im Vorfeld ausschließt, gibt es einen Aufschrei, dass er Leben gefährdet. Wenn er Lösegeld in Aussicht stellt, lockt er Geiselnehmer an.“

Dennoch macht der Sprecher des Finanzministers keinen Hehl daraus, dass er den Staat in der Nähe der Rolle des Hehlers eher skeptisch sieht: „Man sollte sich sehr gut überlegen, ob man strafrechtlich relevante Taten in einem anderen Land finanziert.“ Die Deutschen könnten ja auch nicht wissen, „was mit dem gezahlten Geld passiert, ob es womöglich im Drogenhandel landet oder bei einer terroristischen Vereinigung.“

Experten äußern Bedenken

Große Bedenken zum Kauf der Steuerdaten-CD äußern auch deutsche Experten, etwa Tobias Singelnstein vom Institut für Rechtswissenschaften der Freien Universität Berlin (FU): „Sich rechtswidriger Mittel zu bedienen, ist für einen Rechtsstaat nicht akzeptabel.“ Die beiden Entscheidungen in Bochum zur Liechtenstein-Affäre, auf die sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) als Grundlage beruft, bedeuten „nicht automatisch, dass gestohlene Daten in einem Prozess verwendet werden dürfen“.

Die Gerichte in Bochum hätten sich mit dieser Frage nämlich gar nicht explizit auseinandergesetzt. Allerdings durften die Daten benutzt werden, um einen Verdacht zu begründen und später bei Hausdurchsuchungen weitere Beweismittel zu erlangen, die dann im Verfahren rechtmäßig verwendet werden konnten.

Diese „Umgehung“ ist für den Experten aber ein „sehr zweifelhaftes Vorgehen“. Der Kauf der CD hätte, so Singelnstein, „auf jeden Fall eine negative Signalwirkung.“ Es wäre ein Schritt, rechtliche Begrenzungen für die Beweismittelbeschaffung weiter aufzuweichen – etwa bei Hausdurchsuchungen oder dem Abhören von Telefonen. Schäuble und Kanzlerin Merkel hätten politisch entschieden und müssten nun nachträglich eine rechtliche Begründung finden.

Die Datenaffäre zieht indes immer größere Kreise. Laut „Financial Times Deutschland“ kursieren bei den deutschen Steuerfahndern bereits mehrere Datensätze – oder wurden zumindest angeboten. Nicht nur fünf, sondern schon mehrere Dutzend davon hätte man erfolgreich ausgewertet. Das passt dazu, dass immer neue Namen von Banken genannt werden, aus denen die Daten angeblich abgezweigt wurden. Standen anfangs die UBS, die HSBC und die Credit Suisse im Visier, wird nun von Zeitungen auch ein Exmanager von Julius Bär genannt. Er soll seine Daten noblerweise kostenlos zur Verfügung gestellt haben.

AUF EINEN BLICK

Österreichs Finanzminister vertraut darauf, dass sein deutscher Kollege allfällige Daten heimischer Steuersünder auf der Schweiz-CD prompt übermittelt. So sieht es eine EU-Vereinbarung vor. Ein Rechtshilfeansuchen sei weder möglich noch sinnvoll. In Deutschland sollen bereits mehrere Datensätze aus verschiedenen Banken bei den Steuerfahndern in Umlauf sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2010)

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