Die Zinsschere geht weiter auf

Wird Fed-Chef Jerome Powell die US-Zinsen heuer drei- oder viermal anheben?
Wird Fed-Chef Jerome Powell die US-Zinsen heuer drei- oder viermal anheben?(c) REUTERS (JOSHUA ROBERTS)
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Während der in den USA 2016 gestartete Zinsanstieg weitergeht, herrscht in Europa nach wie vor die Politik des billigen Geldes. Das wird von Ökonomen zunehmend kritisiert.

Wien. Wie allgemein erwartet hat die US-Notenbank Fed am Mittwochabend eine weitere Zinsanhebung – um 0,25 Prozentpunkte auf 1,5 bis 1,75 Prozent – gesetzt. „Die Volkswirtschaft ist in den vergangenen Monaten stärker geworden“, erklärte der Anfang Februar angetretene neue Fed-Chef Jerome Powell. Mit wesentlich größerer Spannung wurde von Investoren und Ökonomen im Vorfeld jedoch erwartet, welche Anmerkungen die Notenbank hinsichtlich weiterer Zinserhöhungen für dieses Jahr geben wird. Und hier signalisierte die Fed, dass sie wohl bei ihrer im Dezember kommunizierten Vorgangsweise bleiben wird. Demnach sollen 2018 drei und im kommenden Jahr noch einmal zwei Zinsanhebungen erfolgen.

Die Kapitalmärkte reagierten auf diese Nachricht volatil. Grundsätzlich sollten die drei Zinserhöhungen für heuer bereits am Markt eingepreist sein. Dennoch dürfte Powell die Anleger mit seiner Aussage, auch eine Inflation von über zwei Prozent akzeptieren zu wollen, kurzfristig verunsichert haben. Denn kurz nachdem der neue Fed-Chef erstmals in einer Pressekonferenz zu sprechen begann, sackten die Kurse an der Wall Street kurzfristig ab, nur um sich kurz danach wieder zu erholen.

Überhitzen die USA?

Für die Kapitalmärkte bringt die Aussicht auf nur noch zwei Zinserhöhungen im heurigen Jahr eine Entspannung. Vor der Zinssitzung machte sich vielerorts bereits die Erwartung breit, es könnte heuer sogar zu vier Anhebungen kommen. Als Grund dafür wurde genannt, dass die US-Volkswirtschaft sich nicht nur mitten in einer Hochkonjunktur befindet, sondern darüber hinaus auch noch von der Politik zusätzlich angefeuert wird.

So soll die jüngste Steuerreform von US-Präsident Donald Trump die amerikanischen Steuerzahler mit einem Volumen von rund 1,5 Billionen Dollar entlasten. Hinzu kommt, dass der US-Kongress im Februar auch zustimmte, dass der Staat in den kommenden zwei Jahren um 300 Milliarden Dollar mehr investieren dürfe – etwa in Infrastrukturprojekte. Diese beiden Faktoren sorgen dafür, dass die Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern in den kommenden Monaten weiter ansteigen wird.

Daher werden in den USA bereits wieder Themen öffentlich diskutiert, die seit gut zehn Jahren nicht mehr gehört wurden: Beispielsweise die Frage, ob es nicht zunehmend zu einer Überhitzung der US-Wirtschaft kommen könnte. Erste Ökonomen warnen bereits vor einer Lohn-Preis-Spirale. Aufgrund der quasi leer gefegten Arbeitsmärkte wären die Firmen gezwungen, die Gehälter anzuheben, um neue Mitarbeiter anzulocken. Um das finanzieren zu können, müssten sie gleichzeitig auch ihre Preise erhöhen. Eine Entwicklung, die zu hoher Inflation und mittelfristig wieder zu einem wirtschaftlichen Crash führen könnte.

In Europa gehen Uhren anders

Um dem frühzeitig entgegenzuwirken, heben Zentralbanken ihre Leitzinsen an, sobald die Wirtschaft wieder rund läuft. In den USA ist diese Zinswende Anfang 2016 erfolgt. Im historischen Kontext befindet sich die größte Wirtschaftsnation der Welt trotz der inzwischen erfolgten Steigerungen zwar immer noch auf extrem niedrigem Niveau – im Vergleich zur Eurozone besteht jedoch bereits eine deutliche Zinsschere, die mit jeder Anhebung durch die Fed auch weiter aufgeht.
Denn in Europa liegen die Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) seit Mitte 2014 knapp über und seit März 2016 auf null und sollen dort auch noch für längere Zeit verharren. Die EZB hat zwar wegen der verbesserten Konjunktur ihre Anleihenkäufe seit Jänner auf den Wert von 30 Milliarden Euro pro Monat halbiert, sie sollen aber noch bis mindestens Ende September fortgesetzt werden – ohne ausdrückliches Enddatum. Von einer Anhebung der Leitzinsen gehen Beobachter frühestens für Anfang/Mitte 2019 aus.

Das sorgt zunehmend für Unruhe – vor allem in jenen Staaten, die wie die USA eine Hochkonjunktur haben und eigentlich schon längst höhere Zinsen brauchten. So äußerten sich die deutschen Wirtschaftsweisen bei ihrer jüngsten Prognose am Mittwoch nicht nur besorgt über die zunehmende Knappheit von Arbeitskräften (siehe Artikel unten). Sie forderten auch, dass die EZB die Abkehr von einer Politik des billigen Geldes beschleunigen sollte. Angesichts der guten konjunkturellen Lage und der gestiegenen Inflation sei ein Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes „überfällig“, so der Sachverständigenrat.

Laut den Beratern der deutschen Regierung ist die Geldpolitik der Notenbanken inzwischen ein Risiko für die globale Konjunktur. Durch die anhaltende Nullzinspolitik in Europa bei gleichzeitig überraschend schnellen Zinsschritten in den USA sei die Stabilität der Finanzmärkte gefährdet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2018)

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