Nebengebühren würden Eisenbahner im Außendienst gegenüber jenen in der Verwaltung benachteiligen, kritisiert der Rechnungshof. Indes attackiert Ministerin Bures Staatssekretär Lopatka.
Wien. Die Koalition steuert bei den ÖBB-Pensionen auf Kollisionskurs. Das ÖBB-Management ist in der Zwickmühle: Denn das durchschnittliche Antrittsalter für den Ruhestand liegt bei den ÖBB weit unter jenem bei ASVG, Bauern und Gewerbetreibenden, zugleich sind Frühpensionierungen eine Möglichkeit, Mitarbeiter abzubauen.
Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) drängt wegen der steigenden Ausgaben des Bundes für die ÖBB-Pensionen vor einem Treffen der Regierung mit Experten am kommenden Dienstag vehement auf Änderungen. Verkehrsministerin Doris Bures (SPÖ) ist „verärgert“, weil Lopatka auch mit „falschen Zahlen“ operiere.
Empfehlung an Verkehrsressort
Lopatka stützt sich auf ein Papier des Rechnungshofes. Das Kontrollorgan stößt sich daran, dass Eisenbahnern zum Aktivgehalt ein Durchschnittssatz an Nebengebühren für die Pension angerechnet wird. Dadurch würden etwa Lokführer gegenüber Verwaltungsbediensteten „krass benachteiligt“. Denn Erstere erhalten mit der Anrechnung eines Nebengebührenfixsatzes sogar niedrigere Pensionen, als wenn Bezüge für tatsächlich geleistete Arbeit gezahlt werden. Der Rechnungshof fordert vom Verkehrsressort ein Abgehen von der „unsozialen“ Regelung.
Die ÖBB-Führung kündigt in einem der „Presse“ vorliegenden Schreiben an die Regierung eine Anhebung des Pensionsantrittsalters (Entwicklung siehe Grafik oben) an. Die Gesundheitsförderung soll ausgebaut werden, durch Umschulungen und Vermittlungen sollen Frühpensionierungen vermieden werden, und damit soll der Pensionsantritt „deutlich“ später erfolgen. Details bleiben unklar.
Hintergrund für den Koalitionskonflikt ist das explodierende Budgetdefizit. Die ÖBB sind mit 92 Prozent die Machtbastion der SPÖ-Gewerkschaft schlechthin, während die schwarzen Christgewerkschafter bei der Personalvertretungswahl im Vorjahr auf nur 1,2 Prozent kamen. Vor dem Treffen mit Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) und Experten am Dienstag verschärft Lopatka die Gangart und spricht von einem „Frühpensionsparadies“ bei den ÖBB. Er untermauert dies mit Daten zum durchschnittlichen Pensionsantrittsalter bei den ÖBB im Vorjahr (siehe Grafik oben). Demnach ist dieser Wert im März 2009 sogar auf knapp unter 50Jahre abgesackt.
Lopatkas Engagement treibt die SPÖ, die Dienstleistungsgewerkschaft vida und die Verkehrsministerin auf die Barrikaden, die ihn auffordern, die „Kampagne“ gegen die ÖBB und die Beschäftigten einzustellen. Bures wirft Lopatka via „Presse“ vor: Er gehe „bewusst mit falschen Zahlen“ an die Öffentlichkeit, um die ÖBB in ein „schlechtes Licht“ zu stellen: „Es sollte ihm einmal jemand sagen, dass er nicht mehr in der ÖVP-Zentrale, sondern im Finanzministerium ist“, heißt es an die Adresse des Ex-ÖVP-Generalsekretärs.
Lopatka kam zuletzt für heuer auf einen Bundesaufwand von 2,1 Milliarden für die ÖBB-Pensionen. Das Verkehrsministerium errechnete 1,7 Milliarden und somit 400 Millionen Euro weniger, weil die Pensionsbeiträge der Eisenbahner eingerechnet werden müssten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2010)