100 Millionen Euro "Aufpreis" bei Strom und Gas

(c) Clemens Fabry
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Die weltweit fallenden Preise kommen in Österreich nicht an, kritisiert die E-Control. Die Anbieter würden um ein Zehntel zu hoch kalkulieren. Im Schnitt zahlt jeder Haushalt rund 20 Euro "Aufschlag".

Wien (mac). Eigentlich könnte das ja eine gute Nachricht sein: Erstmals seit 2001 sind im Vorjahr die Großhandelspreise für Erdgas wieder gesunken, und zwar gewaltig. Volle Speicher, große Mengen an überschüssigem Flüssiggas und deutlich weniger Nachfrage haben die Preise an den Gasbörsen kräftig purzeln lassen.

Dafür, dass die heimischen Endkunden davon nicht allzu viel mitbekommen hätten, sorgten jedoch die heimischen Energieversorger, klagt Energieregulator Walter Boltz. Um ein knappes Zehntel würden die Anbieter ihren Anteil an der Energierechnung (Steuern und Abgaben machen rund ein Drittel des Preises aus, Anm.) nach den Berechnungen des E-Control-Chefs zu hoch kalkulieren.

Im Schnitt zahlt so jeder österreichische Haushalt einen Aufschlag von rund 20 Euro im Jahr bei seiner Strom- beziehungsweise Erdgasrechnung. Bei vier Millionen Stromkunden und 1,3 Millionen Erdgaskunden im Land entspricht das laut E-Control 106 Mio. Euro im Jahr.

Lässt man die Steuern und Abgaben außer Acht, gibt es innerhalb der EU nur neun Länder, in denen Strom derzeit teurer ist. Anders als in Wien konnten sich die Bürger anderer europäischer Metropolen im Vorjahr über deutliche Preissenkungen freuen.

Der Grund dafür ist wohl im „beinharten Wettbewerb“ zu suchen, der zwischen den ehemaligen Stromgesellschaften der Bundesländer nicht so recht ausbrechen will. Und das, obwohl die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte in Österreich mittlerweile fast ein Jahrzehnt zurückliegt.

Vor allem im Osten des Landes, wo nur wenige Landesversorger um Kunden „ringen“, seien die Preise besonders hoch, so der Energieregulator. Die Wiener, Niederösterreicher und Oberösterreicher liefern demnach also den Großteil der 100 Mio. Euro „Aufpreis“ an ihre Anbieter ab.

Entkoppelung vom Ölpreis

Die beschuldigten Konzerne sehen das naturgemäß anders. Von den billigen Preisen an den Spotmärkten habe man wenig profitieren können. Gerade im Gasbereich sei man an langfristige Verträge gebunden, so die Argumentation. Doch genau das könnte sich bald ändern.

Denn was vor wenigen Tagen im deutschen Essen verkündet wurde, könnte die Zukunft des Gasmarktes entscheidend beeinflussen. Die deutsche E.ON-Tochter Ruhrgas einigte sich dort mit ihrem russischen Gaslieferanten Gazprom darauf, den Preis künftig nicht länger nur an den Ölpreis, sondern auch an den Spotmarktpreis zu koppeln. „Ein Meilenstein“, bewertet Boltz die Unterzeichnung des Vertrags. Denn in den vergangenen 30 Jahren waren fast alle westeuropäischen Gasimporteure an die gleiche Preisformel gebunden, die den Gaspreis ein halbes Jahr hinter der „Leitwährung Öl“ hinterherhinken ließ. Wer in einem derartigen Knebelvertrag gebunden war, konnte im Vorjahr nur zusehen, wie die Spotmärkte mit billigem Flüssiggas überschwemmt wurden, weil die USA als Großimporteur weggefallen sind. Um gut die Hälfte des Preises der Langfristverträge war Gas dort zu haben, dennoch konnten viele Unternehmen einfach nicht zugreifen.

„Künftig werden Firmen unterschiedlich einkaufen und auch unterschiedlich verkaufen können“, hofft Boltz, dass die lahmende Rivalität zwischen den Versorgern nun angefacht wird. Unternehmen, die verstärkt am Spotmarkt einkaufen, verspricht er Vorteile und verweist auf eine Studie, die Frontier Economics im Auftrag der E-Control erstellt hat. Versorger, die ihr gesamtes Gas 2009 an den Spotmärkten eingekauft hätten, hätten demnach Margen bis zu 25 Prozent einfahren können. Dass es auch Jahre gibt, in denen Gas kurzfristig nur teuer oder gar nicht verfügbar ist, steht freilich auf einem anderen Blatt. Ein Fünftel des Energiebedarfs könne aber jeder Versorger am Spotmarkt einkaufen, meint der Regulator.

Ob sich die Anbieter dazu gezwungen fühlen, hängt nicht zuletzt von den Kunden ab. Seit Jahren kann jeder Österreicher seinen Strom- und Gasanbieter wechseln und so bis zu 179 Euro im Jahr sparen. Nur jeder zehnte Strom- und jeder zwanzigste Gaskunde hat das seitdem auch getan.

auf einen blick

Großhandelspreise für Strom und Gas sind 2009 kräftig gefallen. Die heimischen Endkunden konnten davon nicht profitieren.

Sie zahlen im Jahr rund hundert Mio. Euro zu viel an ihre Energieversorger, schätzt die E-Control. Den Hauptgrund dafür sieht der Regulator im immer noch schleppenden Wettbewerb zwischen den einzelnen Landesversorgern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2010)

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