Qualität aus Österreich? Trügerische Produktnamen

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Ist ein Lebensmittel aus Österreich oder gar aus den Alpen oder vom Bauern, verkauft es sich gleich viel besser. Auch wenn das nur drauf steht und in Wahrheit keine Spur "österreichischer Qualität" drin ist.

Tiroler Bananen, Vorarlberger Kiwis, Burgenländischer Bergkäse: Wer versucht, seine Bananen oder seinen Käse mit solchen Bezeichnungen im Supermarkt zu verkaufen, scheitert wahrscheinlich kläglich. Besser klingt da schon Tiroler Speck, Marchfeldspargel oder Vorarlberger Käse.

In der Realität aber haben diese Bezeichnungen oft einen ähnlichen Wahrheitsgehalt wie Tiroler Bananen. Denn in Österreich darf man auf ein Lebensmittel ziemlich alles schreiben, was man will. Das zeigt der Skandal um den mit Listerien verseuchten Sauermilchkäse aus der Steiermark. Ihn als Hartberger Bauernquargel zu bezeichnen hat so viel Berechtigung, wie Milch aus dem Burgenland als Eisenstädter Bergbauernmilch zu verkaufen.

„Es ist fantastisch, als was man Produkte in Österreich alles bezeichnen kann, bevor man gegen ein Gesetz verstößt“, meint ein Lebensmittelexperte, der mit so einer prononcierten Meinung nicht namentlich genannt werden will. Um beim Beispiel des Hartberger Bauernquargels zu bleiben. „Käse aus Österreich“ stand zwischen einer rot-weiß-roten Fahne und der Hinweis: „Hergestellt nach alter österreichischer Tradition“. Wer vermutet, dass die Milch für den Käse daher aus Österreich stammte und hierzulande zu Quargel verarbeitet wurde, liegt grundfalsch: Die Milch stammte aus Holland, wurde in Deutschland zu Topfen verarbeitet und in Hartberg nur weiterverarbeitet und verpackt. Das freilich genügt, um die Aufdrucke zu rechtfertigen, weil der Quargel in Hartberg verarbeitet wurde.


Garantiert importiert. „Die Angaben sagen nichts darüber aus, woher die Rohstoffe kommen“, erklärt Birgit Beck vom Verein für Konsumenteninformation (VKI). „Man kann Fleisch im Ausland einkaufen, hier zu Schnitzel verarbeiten und auf die Verpackung drucken: Garantiert aus Österreich.“ Schließlich wird es in Österreich verarbeitet.

Selbst ausdrücklich geschützte Namen garantieren noch lange nicht, dass die Rohstoffe aus der Region sind. Nicht einmal, wenn auf einer Verpackung der Namenszusatz g.g.A. prangt (geschützte geografische Herkunft, siehe Informationskasten). Fünf heimische Lebensmittel sind so EU-rechtlich geschützt. Unter anderem der Tiroler oder der Gailtaler Speck. Ein Schwein, das zu diesem Speck wurde, muss aber weder Tirol noch das Gailtal zu Lebzeiten gesehen haben – theoretisch reicht es, wenn einer der Produktionsschritte in der Region stattgefunden hat. Das Fleisch für Tiroler Speck kann man beispielsweise in Dänemark zukaufen– solange es in Tirol verarbeitet wird, ist der Name gesetzeskonform.

Man kann sogar mit Außerferner Speck werben, wenn zumindest 50 Prozent der Wertschöpfung in der Region erfolgen. Es genügt, wenn man genug Geld für Verpackung und Marketing in dem Tiroler Bezirk ausgibt.

Die Kerne für steirisches Kürbiskernöl können aus Slowenien sein, solange sie nur in der Steiermark verarbeitet werden. Die Grünen stellten 2009 in einer parlamentarischen Anfrage fest, dass für die Menge des Kernöls, das mit Steiermark-Bezug verkauft wird, 18.000 Tonnen Kürbiskerne nötig sind. Die jährliche Ernte in Österreich beträgt gerade einmal 9000 Tonnen.

Die Hersteller und Verbände, die geschützte Namen wie den Gailtaler Speck oder den steirischen Kren vermarkten, berufen sich freilich auf strenge, interne Regeln und eigene Logos, die 100 Prozent regionale Rohstoffe garantieren sollen und von unabhängigen Instituten kontrolliert werden. Nur bei Engpässen in einer Region könne es sein, dass Waren von anderswo verarbeitet werden.


Willkürliche Fantasienamen. Die Verpackungen von Lebensmitteln kann man willkürlich mit Zusätzen wie Alpen, Berg oder Bauer verzieren: Bauernkäse etwa, Bauernquargel oder Bauernbutter. Diese Begriffe sind nicht geschützt, weder der Berg noch der Bauer muss involviert sein. Genauso gut könnte man Tischlerkäse hinaufschreiben – es verkauft sich nur nicht so gut.

Einzige Hürde für Fantasiebezeichnungen ist der Täuschungsparagraf im Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz. Darin heißt es, man dürfe Lebensmittel nicht mit irreführenden Angaben, was die Herkunft und Herstellungsart betrifft, bewerben oder in Verkehr bringen.

Was in die Irre führt, ist in vielen Fällen nicht ausjudiziert. „Wenn ich als Konsument ,Käse aus Österreich' lese, denke ich, die Milch ist von hier“, meint Martin Greßl, obwohl sie das nicht sein muss. Dass er das in Wirklichkeit nicht denkt, hat mit seinem Job zu tun. Er ist Leiter der Abteilung Qualitätsmanagement bei der Agrarmarkt Austria (AMA) und weiß, welch Schindluder mit Herkunftsbezeichnungen getrieben wird. „Früher (vor der EU-Öffnung, Anm.) war der Markt abgeschottet, Fleisch kam nicht aus dem Ausland.“ Mittlerweile sei es fast nicht mehr nachvollziehbar, woher die Grundstoffe stammen.

Wildwuchs bei Gütezeichen. Experten werten das AMA-Gütesiegel als einziges vertrauenswürdiges Siegel, wenn es um die Herkunft geht. Dieses sagt zum Beispiel, dass Tiere in Österreich geboren und geschlachtet wurden. Das Futter muss allerdings nicht zur Gänze österreichisch sein. In Ausnahmefällen müssen auch nicht alle Bestandteile heimisch sein – wenn sie in Österreich nicht herstellbar sind. So kann auch ein Bananenjoghurt das AMA-Siegel tragen. Rund 70 Prozent der Milchprodukte und etwa 30 Prozent der Fleischwaren in Österreich tragen derzeit das Siegel.

Neben dem der AMA gibt es in Österreich rund 150 Siegel, die irgendeine Form besonderer Qualität bescheinigen sollen. Die Konsumenten haben längst keinen Überblick mehr und meist sind die Zeichen nicht mehr als ein willkürlicher Namenszusatz. Landwirtschafts- und Gesundheitsministerium, AMA und Sozialpartner arbeiten derzeit an einem neuen Gütezeichengesetz, weil die alte Verordnung von 1942 mit Jahresbeginn ausgelaufen ist.

Derzeit sagt selbst ein „AT“ im ovalen Genusstauglichkeitszeichen nichts über die Herkunft. Das Zeichen stellt nur fest, dass die Produktion und Verarbeitung EU-rechtskonform geschehen ist. Das Land, in dem der letzte Produktionsschritt passiert ist, wird im Siegel verewigt. Auch der Buchstabe, der das Bundesland kennzeichnet sowie die Betriebsnummer sagen nur, wo das Produkte zuletzt bearbeitet wurde. Wie viele Grenzen die Wurst oder der Käse davor passiert hat, spielt keine Rolle.

An einer andere Methode zur Herkunftsüberprüfung als diverse Siegel arbeitet das steirische Unternehmen „Infood“ mit dem Joanneum Research. Zusammen mit Lebensmittelherstellern soll eine Datenbank angelegt werden und ein eigener Code auf die Verpackung gedruckt werden. Steht der Kunde im Supermarkt, kann er den Code mit dem Handy fotografieren oder eingeben und erhält online Informationen über das Produkt. „Das geht von der agrarischen Herkunft hin bis zur Rasse der Ferkel oder der Frage, woher das Saatgut für eine Pflanze kommt“, erklärt Infood-Geschäftsführer Jörg Moser. Noch ist das freilich Zukunftsmusik.


Fruchtlose Schnitten. Die Frage, ob das, was in Bezug auf die Herkunft draufsteht, stimmt, ist die eine. Die andere ist, ob überhaupt drin ist, was draufsteht. Im Frischkäseaufstrich „Bressot Lachs & Kren“ finden sich beispielsweise „bestenfalls homöopathische Dosen von Lachs“, wie der VKI bei einer Überprüfung jüngst feststellte. In der „Schneekoppe Fruchschnitte Beere“, schön verpackt in eine Abbildung von 30 verschiedenen Beeren, spürte man 1,2 Gramm Fruchtsaft-Konzentrat auf – sonst nur Sultaninen, Hafer- und Weizenflocken sowie beachtliche 33 Gramm Zucker.

Da scheint es richtig normal, wenn auf einer Bananenschnitte steht: „Qualität aus Österreich.“

150 „Gütezeichen“ prangen auf Lebensmitteln im heimischen Handel und sollen auf eine besondere Qualität hinweisen. Oft sind sie nicht mehr als ein willkürlicher Namenszusatz.

70 Prozent
der Milchprodukte und 30 Prozent der Fleischwaren tragen das AMA-Gütesiegel, das österreichische Herkunft garantiert. Derzeit arbeiten Sozialpartner, AMA, Landwirtschafts- und Gesundheitsministerium an einem neuen Gütezeichengesetz.

geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.)
Besagt, dass Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung eines Produkts in einem bestimmten Gebiet nach einem festgelegten Verfahren erfolgen müssen. Beispiele sind Wachauer Marille, Tiroler Graukäse, Vorarlberger Bergkäse.

geschützte geografische Angabe (g.g.A.)
Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung musste in dem Gebiet erfolgen. Der Rohstoff kann, muss aber nicht aus dieser Region sein. Beispiel: Tiroler Speck, Marchfeldspargel.

garantiert traditionelle Spezialität (g.t.S.)
Bezieht sich nicht auf einen Ursprung, sondern nur auf die traditionelle Zusammensetzung eines Produkts oder auf ein traditionelles Herstellungsverfahren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2010)

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