E-Mobilität: Europa soll bei Batterien aufholen

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Die Allianz für E-Auto-Akkus nimmt Gestalt an: Die EU will den Vorsprung Asiens und der USA mit Subventionen für „Gigafabriken“ brechen. Aber die Skepsis ist groß.

Wien. Der Gedankengang klingt plausibel: Den Elektroautos gehört die Zukunft. Ihr technologisches Herz und teuerster Bauteil sind die Akkus. Deren Kosten und Speichervolumen entscheiden über die Akzeptanz bei den Autokäufern. Also sollten Europas Autohersteller besser nicht von Lieferanten aus Drittstaaten abhängig sein. Derzeit sind sie es aber fast zur Gänze: Während die Kapazitäten in China in die Höhe schnellen, gibt es in der EU keine einzige eigene Großproduktion für E-Auto-Batterien. Das will Brüssel nun ändern, mit großem Trommelwirbel. Aber kann die Aufholjagd noch gelingen? Und wie sinnvoll ist sie überhaupt?

Vor einem Jahr hat die EU-Kommission eine „Allianz für Batterien“ ausgerufen, nun nimmt sie Gestalt an: 20 „Gigafabriken“ für die Massenproduktion von Lithium-Ionen-Batterien sollen entstehen, nach dem Vorbild von Teslas Werk in Nevada und den Kapazitäten, die Firmen wie CATL oder BYD in China aus dem Boden stampfen. In beiden Ländern sind die gewaltigen Investitionen nur mit staatlichen Subventionen möglich. Also plant Brüssel Ausnahmen für das strenge EU-Beihilfenrecht.

Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll die milliardenschweren Projekte kofinanzieren. Für grenzüberschreitende Forschung dürfen Mitgliedstaaten die Finanzierung sogar zur Gänze übernehmen. Auch Genehmigungsverfahren für den Abbau der nötigen Rohstoffe sollen sich beschleunigen. Das klingt nach einer konzertierten Aktion, wie sie einst beim Airbus-Projekt für die Luftfahrt erfolgreich war.

Aber auf den zweiten Blick kommen rasch Zweifel auf. Die einzig konkret geplante Großinvestition ist die Fabrik, die der frühere Tesla-Logistikmanager Peter Carlsson mit seinem Unternehmen Northvolt in Schweden bauen will. Bis 2023 soll sie in Betrieb gehen, die Kosten betragen über vier Mrd. Euro, aber private Investoren halten sich auffällig zurück. Schon die Testfabrik um bescheidene 100 Mio. Euro war nur durch eine 50-Prozent-Beteiligung der EIB zu realisieren. Vor allem aber scheinen Europas Autohersteller, zumal die deutschen, sich wegen der Abhängigkeit von Asien wenig zu sorgen. Volkswagen, Daimler und BMW setzen weiter auf ihre bestehenden Lieferanten. Warum? Die Produktionskosten für E-Auto-Akkus sind in den vergangenen Jahren dramatisch gesunken. Der entscheidende Faktor ist dafür – neben dem technischen Fortschritt – die Größe der Produktion. Hier kann Europa als Nachzügler nur schwer mithalten. Es besteht die Gefahr, dass die EU mit hohen Kosten eine Industrie aufbaut, die dann ein ähnliches Schicksal erleidet wie die Hersteller von Solarpaneelen – sie brachen unter den niedrigen Preisen der chinesischen Konkurrenz zusammen.

Asiatische Hersteller in Europa

Um Kosten geht es vorrangig auch den Autokonzernen. Bei der Logistik kommen ihnen die Anbieter aus Fernost im Wortsinn entgegen: Chinesische Hersteller planen Batteriefabriken in Europa. Die Südkoreaner sind schon dabei ganz konkret (LG Chem in Polen, SK Innovation in Ungarn, Samsung SDI in Ungarn und mit dem Ex-Magna-Werk bei Graz). Damit zieht auch das Argument der Arbeitsplätze nicht. Eine Batterienknappheit, die die Preise treibt, ist kaum zu befürchten: Die Kapazitäten wachsen doppelt so schnell wie die Nachfrage (oft werden sie dann mit traditionelleren Anwendungen gefüllt, wie Akkus für Handys, Computer oder E-Bikes). Heikler sind die stark schwankenden Preise bei den Rohstoffen wie Lithium und Kobalt. Deshalb kontrolliert etwa BMW den Materialbezug seiner Batterielieferanten direkt, durch Verträge mit Bergbaufirmen im Kongo, in Chile oder Australien.

Bleibt noch der technische Fortschritt. Hier sehen auch skeptische Analysten großes Potenzial für Europa. Denn die übliche Lithium-Ionen-Bauweise ist eindeutig nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Akkumulatoren brauchen Kühlvorrichtungen, bleiben schwer und ausladend. Neue, bessere Technologien kündigen sich an: Lithium-Sauerstoff, Lithium-Schwefel oder Festkörperakkumulatoren. Auf Letztere setzen eine Partnerschaft des französischen Batterieherstellers Saft mit Solvay in Belgien sowie Siemens und Manz in Deutschland. Freilich brauchen solche neuen Technologien noch ein Jahrzehnt oder mehr, bis sie produktionsreif sind. Und es fragt sich, wie erfolgreich Entwicklungen sein können, wenn die Beteiligten nicht laufend aus der eigenen Produktion dazulernen – wie es die asiatischen Hersteller tun. Womit die Initiative aus Brüssel dann doch sehr gute Gründe hätte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2018)

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