Budgetstreit: Rom ärgert sich über Kanzler Kurz

Sebastian Kurz und Giuseppe Conte.
Sebastian Kurz und Giuseppe Conte.(c) REUTERS (MAX ROSSI)
  • Drucken

Der Konflikt zwischen Italien und der EU sorgt zunehmend auch für Spannungen mit Wien und Berlin. Analysten sehen durch Roms Politik den Beginn der nächsten Eurokrise.

Wien. „Wir sind keine verantwortungslose Bande. Wir sind überzeugt, dass Italien in eine Rezession geraten würde, sollten keine wirtschaftsfördernden Maßnahmen ergriffen werden.“ Mit diesen Worten verteidigte der italienische Premier, Giuseppe Conte, am Montagnachmittag das Budget der italienischen Populistenregierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung. Wie berichtet plant Rom ja trotz des Schuldenbergs von 131,2 Prozent des BIPs für 2019 ein Budgetdefizit von 2,4 Prozent. Dreimal so viel wie von der Vorgängerregierung vorgesehen, was in Brüssel und zunehmend auch in anderen europäischen Hauptstädten für Kritik sorgt.

Die Politik

So meldeten sich am Montagvormittag bereits Bundeskanzler Sebastian Kurz und Finanzminister Hartwig Löger in ihrer Funktion als gegenwärtige EU-Ratsvorsitzende in einem gemeinsamen Statement zu Wort. „Österreich ist nicht bereit, für die Schulden anderer Staaten geradezustehen, während diese Staaten die Verunsicherung der Märkte bewusst in Kauf nehmen“, heißt es darin. Italien würde die EU als Geisel nehmen, wenn die Union jetzt nicht auf die Bremse steige. „Wenn nicht nachgebessert wird, muss die Europäische Kommission das Budget zurückweisen“, so Kurz.

Eine Kritik, die in Rom für Verärgerung sorgt. Die Aussagen von Kurz seien „unvorsichtig“. „Wenn wir in Europa sind und behaupten, wir müssen die EU-Regeln respektieren, müssen wir uns auch an diese Regeln halten. In der jetzigen Phase ist ein Dialog zwischen der EU-Kommission und der italienischen Regierung über den Budgetplan im Gange. Wenn jemand anderer sich einschaltet, respektiert er die Regeln nicht“, so Conte.

Wie von Brüssel verlangt habe seine Regierung am Montag einen Brief an die EU-Kommission gesandt, in dem sie ihren Haushaltsplan erklärt habe, so Conte weiter. Man sei nun bereit, darüber zu diskutieren. Die Kommission will heute, Dienstag, über das weitere Vorgehen entscheiden. Bis 29. Oktober kann die Kommission den Budgetplan zurückweisen. Es wäre das erste Mal seit Einführung dieser Möglichkeit im Jahr 2013.

Die Märkte

Die Finanzmärkte reagierten am Montag mit einer auf den ersten Blick paradoxen Reaktion auf die jüngsten Vorkommnisse. So hatte am Freitagabend ja auch die Ratingagentur Moody's Italien um eine Stufe herabgestuft – auf einen Platz vor dem gefürchteten „Ramsch“-Niveau. Die Renditen der italienischen Staatsanleihen gingen am Montag dennoch spürbar zurück, was ein größeres Vertrauen der Investoren anzeigt.

Grund für diese vordergründig unverständliche Entwicklung ist, dass die Investoren mit einer noch schlechteren Bewertung durch die Ratingagentur gerechnet haben. Vor allem der Umstand, dass Moody's den Ausblick bei „stabil“ sieht – eine baldige Abstufung auf „Ramsch“ also unwahrscheinlich ist – sorgte für Beruhigung.

Dennoch zeigt ein Blick auf die Rendite-Charts, dass sich Italien im Verhältnis zu Deutschland, aber auch Spanien, inzwischen wieder wesentlich teurer verschulden muss. Dass das Niveau im Vergleich mit den Jahren vor der Eurokrise allgemein so niedrig liegt, hängt einzig und allein mit der Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammen. Diese hält die Zinsen ja bei null und kauft bis Ende 2018 nach wie vor monatlich Staatsanleihen im Ausmaß von zuletzt 15 Mrd. Euro.

Die EZB und die Banken

Italien wird definitiv auch die nächste Zinssitzung der EZB am kommenden Donnerstag bestimmen. So gilt das Heimatland von EZB-Chef Mario Draghi schon bisher als wichtiger Grund dafür, warum die Eurozone anders als beispielsweise die USA noch nicht zu einer Normalisierung der Zinssituation zurückkehren kann. Steigende Zinsen wären für Rom in der derzeitigen Situation nämlich Gift.

Aber auch so könnten die Renditen der italienischen Bonds schon bald wieder steigen. Überschreiten sie das Niveau von vier Prozent, wird es laut Berechnungen der italienischen Finanzmarktvereinigung Assiom Forex für die italienischen Banken haarig, weil diese ihre Bilanzsumme im Schnitt zu zehn Prozent in diese Papiere angelegt haben. Und da sich steigende Renditen durch fallende Anleihenkurse ergeben, könnten einzelne Institute in so einem Fall frisches Kapital brauchen. Das könnte wiederum eine gefährliche Spirale in Gang setzen. Ein Analyst kommentierte die Lage am Montag daher so: „Die Eurokrise, Teil zwei hat begonnen.“ (jaz/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.