NÖ: Ein Bundesland als Bahnunternehmen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Niederösterreichs Verkehrslandesrat Johann Heuras (ÖVP) über die Zukunft der Landesnebenbahnen: "Wir übernehmen bis 1. Jänner 2011 insgesamt 624 Kilometer Gleise. Zwei Drittel dieser Strecken sind längst tot."

Zur Hölle mit dem Buskonzept“, fordert der Verein „Pro Ybbstalbahn“ auf seiner Website. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, den Zugverkehr auf der knapp 70 Kilometer langen Schmalspurstrecke wiederzubeleben, die sich im Südwesten Niederösterreichs zwischen Waidhofen an der Ybbs und Kienberg-Gaming an der Erlauf durch die beiden Täler windet. Aber ihr Wunsch bleibt unerfüllt.

Verkehrslandesrat Johann Heuras kündigt im Gespräch mit der „Presse“ an, dass auch das Land Niederösterreich kein Interesse hat, die Ybbstalbahn weiterzuführen. Zwei Monate nachdem sich Niederösterreich, die Republik und die ÖBB auf ein Gesamtpaket geeinigt haben, in dessen Rahmen das Land selbst den Betrieb einiger Nebenbahnen übernimmt, kristallisieren sich erste konkrete Entscheidungen dazu heraus, wie das Land ab kommendem Jahr den Schienennahverkehr in der Peripherie gestalten möchte.

Ob und wie das gelingt, ist höchst brisant: Zum ersten Mal müssen Beamte und Politiker, die den ÖBB bisher regelmäßig gefahrlos vorwerfen konnten, ihre Kunden mehr schlecht als recht zu behandeln, zeigen, ob sie es besser können. Eine Schicksalsfrage: Am Beispiel dieser Nebenbahnen könnte sich entscheiden, wie der öffentliche Nahverkehr in Zukunft organisiert wird – monolithisch über die ÖBB oder im Rahmen vieler kleiner Unternehmen wie der niederösterreichischen Bahngesellschaft.

Zumindest Verkehrslandesrat Johann Heuras, für Erwin Prölls absolut regierende ÖVP in der Landesregierung, ist überzeugt, das sich das zweite Modell bewähren kann: „Wir übernehmen bis 1. Jänner 2011 insgesamt 624 Kilometer Gleise. Zwei Drittel dieser Strecken sind längst tot. Hätten wir jetzt nicht gehandelt, hätten die ÖBB auch noch die übrigen Strecken an die Wand gefahren.“

Fünf der 26 Bahnstrecken, die das Land Niederösterreich von den ÖBB zum Gesamtpreis von 65 Millionen Euro übernimmt, sind im öffentlichen Diskurs um den Nahverkehr besonders präsent: Davon ist das Schicksal der Ybbstalbahn, wie eingangs erwähnt, bereits besiegelt: „Das ist auch in der Region beschlossene Sache“, sagt Heuras. Nur im Waidhofener Stadtgebiet wird das Land die Strecke weiterbetreiben, eventuell auch im Erlauftal, „wo sie touristisch relevant ist“. Zwischen Waidhofen und Lunz am See werden aber auch künftig keine Züge mehr rollen, die Orte dort werden stattdessen in ein Buskonzept eingebettet.

Zauberwort Tourismus

Im Gegensatz dazu wird die Mariazellerbahn weiterhin bestehen. Das Land will sie im Rahmen der neuen niederösterreichischen Bahngesellschaft, die gerade gegründet wird, weiterhin betreiben, und zwar mit unterschiedlichen Konzepten: Die Talstrecke, die etwa täglich Pendler aus dem Pielachtal nach St. Pölten karrt, wird weiterhin im normalen Verkehrsfahrplan geführt. Sowohl die ÖBB als auch das Land werden hier in den kommenden Jahren mehrere Millionen Euro in die Hand nehmen, um neue Triebfahrzeuge anzuschaffen und für höhere Geschwindigkeiten zu sorgen, sagt Heuras.

Im Gegensatz dazu wird die „Bergstrecke“ der Mariazellerbahn, also zur steirischen Grenze hin, auf „touristischen Betrieb“ fokussiert sein. Was das bedeutet, zeigt sich am Beispiel zweier anderer Strecken, die das Land mit Jahreswechsel übernimmt: an der Waldviertler Schmalspurbahn bei Gmünd und dem „Reblaus-Express“ zwischen Retz und Drosendorf. Sie werden wie bisher weitergeführt, um den Tourismus in den angrenzenden Regionen zu fördern, also etwa um Wanderer und Radfahrer zu transportieren – allerdings in einem „normalen“ Strecken gegenüber stark reduzierten Fahrplan, etwa nur am Wochenende.

Noch nicht klar ist, wie es mit der Donauuferbahn weitergeht: In dem Teil, der zwischen Krems und Emmersdorf in der Wachau geführt wird, hofft Heuras auf eine touristische Nutzung: „Wir wollen sie in einem Gesamtkonzept für die Wachau besser mit dem Rad-, Bus- und Schiffsverkehr verknüpfen.“ Vom Ende der Wachau bis zur Landesgrenze ist das Schicksal der Bahn aber noch offen: Vor einer endgültigen Entscheidung will das Land mit Oberösterreich verhandeln, das ebenfalls einen Beitrag leisten könnte – die Strecke endet in Linz.

Was der Betrieb der Bahnen Niederösterreich kosten wird, will Heuras noch nicht abschätzen, denn bezüglich der Verwendung der bereits stillgelegten Strecken und der knapp 100 Quadratkilometer Grund, die die ÖBB dem Land mitüberlassen haben, sind zahlreiche Projekte mit angrenzenden Gemeinden im Gespräch. Sicher sei aber, dass zunächst einmal rund 117 Millionen Euro in die Erhaltung der Strecken investiert werden, der Großteil von Bund und ÖBB.

Bundesministerium für Verkehr

Ob es nicht besser wäre, alle Strecken in der Peripherie aufzulassen und durch Busse zu ersetzen? Heuras verneint: „Wir haben uns die Pendlerströme angeschaute und können bei diesen Bahnen sagen, das zahlt sich aus – wir werden das effizienter machen als die ÖBB.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2010)

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