Insolvenzen: Auf die Arbeitslosigkeit folgt die Pleite

(c) Michaela Bruckberger
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Die Zahl der Privatkonkurse wächst nur noch schwach. Stärker steigt die Zahl jener, die den Schritt zu einem geregelten Insolvenzverfahren gar nicht schaffen.

Wien(b.l.). Vor der Krise waren schlechter Umgang mit Geld und ehemalige Selbstständigkeit Hauptursachen für die Zahlungsunfähigkeit von Privatpersonen. „Mittlerweile ist es die Arbeitslosigkeit“, stellt Hans Grohs, Geschäftsführer der Dachorganisation der Schuldnerberatungen, fest.

Im Schnitt dauert Arbeitslosigkeit in Österreich drei Monate. Das Arbeitslosengeld in Höhe von 55Prozent des Nettoeinkommens reicht zwar oft nicht aus, um Kreditraten und laufende Kosten zu tragen, diese Phase können aber viele mithilfe von Ersparnissen durchtauchen. „Ein Problem ergibt sich, wenn die Arbeitslosigkeit länger dauert“, sagt Grohs. Viele Schuldner würden zu spät dazu übergehen, ihr Budget zu durchforsten, Kosten zu senken und eventuell das Auto abzumelden.

Seit Jahresbeginn 2262 Pleiten

Das sieht auch Georg Kantner vom Kreditschutzverband von 1870 (KSV) so: Wer seine Kreditraten nicht begleichen kann, dem wird oft das gesamte Darlehen fällig gestellt. So komme es zur Zahlungsunfähigkeit. Derzeit seien 100.000 bis 150.000 Personen insolvent, schätzt Kantner. Tendenz steigend. In der Insolvenzstatistik werde sich die Krise aber erst mit Verzögerung bemerkbar machen.

Nämlich dann, wenn sich wieder mehr Leute einen Privatkonkurs leisten können. Dafür muss man in sieben Jahren eine Rückzahlungsquote von zehn Prozent schaffen. Es sei denn, die Gläubiger stimmen einem individuellen Zahlungsplan zu. „Ohne geregeltes Einkommen ist eine Entschuldung mittels Zahlungsplans aussichtslos“, stellt man beim Gläubigerschützer Creditreform fest.

Die Zahl der Privatpleiten stieg laut KSV von Jänner bis März um 3,6 Prozent auf 2262 Personen. Die Creditreform zählt die abgewiesenen Anträge mit – ergibt einen Zuwachs von 6,4Prozent auf 2586 Fälle. Das ist ein weit schwächerer Anstieg als in den Jahren davor.

Nächstes Jahr soll der Privatkonkurs erleichtert werden („Die Presse“ berichtete): Die Zehn-Prozent-Quote soll zwar bleiben (in Deutschland fehlt die Rückzahlungsquote ganz, die Erfahrungen sind schlecht), die Dauer des Verfahrens, während der man bis zum Existenzminimum gepfändet werden kann, soll aber von sieben auf fünf Jahre sinken. Grohs begrüßt das: „Sieben Jahre sind in einem Menschenleben ziemlich lang.“ Ein Privatkonkurs verschlechtere auch die Jobchancen. „Anders als in den USA ist ein Konkurs bei uns ein Stigma.“ Nur selten würden Arbeitgeber sehen, dass der Betroffene seine Schulden im Griff habe.

Weniger Firmeninsolvenzen

Die Zahl der Firmenpleiten war indes im ersten Quartal leicht rückläufig. Laut Creditreform ging sie um 0,8 Prozent auf 1637 Fälle, laut KSV um 3,6 Prozent auf 1639 Fälle zurück. Besonders die Zahl der eröffneten Konkurse ist gesunken, während die Zahl der mangels Masse abgewiesenen Pleiten gestiegen ist. Die Insolvenzverbindlichkeiten sanken laut KSV um 30Prozent auf 618 Mio. Euro.

Kantner sieht noch keine Trendwende. „Ich glaube, dass wir die schlimmsten Auswirkungen der Wirtschaftskrise noch nicht gesehen haben“, sagte er. Grund für den Rückgang sei der starke Anstieg im ersten Quartal des Vorjahres: Damals waren die Unternehmenspleiten um 18 Prozent nach oben geschnellt.

Vor allem konsumnahe Branchen wie Nahrungs- und Genussmittelindustrie, Elektro- und Elektronikhändler sowie Gastgewerbe seien von der Pleitewelle noch weitgehend verschont geblieben. Kantner erwartet, dass sich das im Laufe des Jahres ändern wird.

Eine Prognose zur Insolvenzentwicklung wollte er nicht abgeben. Zu Jahresbeginn war er von einem Plus von zwölf Prozent ausgegangen. Mit 1.Juli soll das neue Insolvenzrecht in Kraft treten, das die Chancen auf Fortführung im Pleitefall erhöht: Schuldnern kann ein halbes Jahr ein „Schutzschild“ gewährt werden, die Kündigung von Verträgen ist dann nicht möglich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2010)

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