Euro in Not: EU und IWF schnüren 750-Mrd.-Euro-Paket

Euro in Not: EU und IWF schnüren 750-Mrd.-Euro-Paket
Euro in Not: EU und IWF schnüren 750-Mrd.-Euro-Paket(c) AP (Michael Probst)
  • Drucken

Österreich übernimmt bis zu 13 Mrd. Euro Haftungen für einen Fonds, der ein Übergreifen der griechischen Krise auf Portugal und Spanien verhindern soll. Die EZB erklärt, erstmals auch Staatsanleihen zu kaufen.

BRÜSSEL. Um 2:10 Uhr, nach mehr als elf Stunden Verhandlungen der 27 EU-Finanzminister, war es so weit: Das Paket an Maßnahmen zur Rettung der Europäischen Währungsunion ist beschlossen.

Es besteht aus drei Teilen. Erstens wird das bestehende 50-Milliarden-Euro-Programm von Zahlungsbilanzhilfen, mit dem EU und IWF seit 2008 Lettland, Rumänien und Ungarn helfen, um 60 Milliarden Euro aufgestockt und für alle EU-Mitgliedstaaten zugänglich gemacht. Also erstmals auch für Euroländer. Die Kommission wird diese 60 Milliarden Euro an den Finanzmärkten aufnehmen und wie bisher das EU-Budget (heuer 142,6 Milliarden Euro) als Sicherheit dafür einsetzen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) wird hier weitere 30 Milliarden Euro bereitstellen.

Zweitens wird eine "Zweckgesellschaft" gegründet, die bis zu 440 Milliarden Euro auf den Finanzmärkten sammeln soll. Als Sicherheit wird sie bilaterale Haftungserklärungen der 16 Euroländer verwenden. Nicht-Mitglieder der Eurozone sind "eingeladen, sich zu beteiligen", sagte Finanzminister Josef Pröll. Sprich: die Briten machen nicht mit.

Die Höhe der Haftungserklärungen bemisst sich an den Stimmrechten in der Europäischen Zentralbank. Österreich wird damit laut Pröll Haftungen im Ausmaß von 12 bis 13 Milliarden Euro übernehmen. Es geht ausdrücklich nicht um die Zahlung von bilateralen Krediten wie im Fall des 110-Milliarden-Euro-Hilfspakets für Griechenland, sondern um Haftungserklärungen (die natürlich irgendwann schlagend werden können).

Ob die Kommission diesen Fonds verwaltet oder die Finanzminister und unter welchen Bedingungen das Geld fließt, wird beim nächsten Finanzministertreffen am 17. und 18. Mai beschlossen werden.

500 Milliarden Euro von der EU selbst

Macht also 500 Milliarden Euro von der EU selbst. Für den dritten Teil des Rettungsplans hat sich der Internationale Währungsfonds bereit erklärt, die 440 Milliarden Euro um bis zur Hälfte aufzustocken. Vom IWF kämen also noch einmal bis zu 220 Milliarden Euro.

In Summe stehen somit 750 Milliarden Euro bereit, die vor allem für Spanien und Portugal bereitgestellt werden können, falls diese ihre Anleihen nicht mehr auf den Finanzmärkten unterbringen.

Beispiellose Erklärung der EZB

Im Anschluss an die Verkündigung dieses Beschlusses machte die Europäische Zentralbank eine bisher beispiellose Erklärung. Sie werde fortan auch Anleihen von Staaten und Unternehmen auf dem Sekundärmarkt aufkaufen. Laut EU-Recht darf die EZB zwar die Mitgliedstaaten nicht finanzieren, indem sie ihre Anleihen direkt von ihnen kauft. Sie kann dieses Verbot aber umgehen, indem sie die Bonds auf dem Sekundärmarkt von den Banken, Fondsgesellschaften und sonstigen Investoren erwirbt.

 "Noch gibt es keinen aktuellen Anlass, dass sich Portugal und Spanien nicht refinanzieren können", sagte Pröll. Aber natürlich geht es ausschließlich um diese beiden Sorgenkinder. Sie müssen ebenfalls bis zum Finanzministerrat Anfang nächster Woche konkrete Pläne zur Sanierung ihrer Budgets präsentieren.

Wie das im Falle Spaniens aussehen soll, das eine geringere öffentliche Schuldenquote als Österreich hat und dessen Problem die gigantische Verschuldung der Unternehmen und Privathaushalte ist, bleibt vorerst offen.

Der Kurs des Euro hat sich am Montag nach der Einigung der EU-Finanzminister auf einen Rettungsschirm für hoch verschuldete Mitgliedsstaaten der Euro-Zone über der Marke von 1,29 US-Dollar stabilisiert. Damit konnte die Gemeinschaftswährung die kräftigen Kursgewinne vom späten Freitagabend halten. Im frühen Handel stand die Gemeinschaftswährung kaum verändert bei 1,2928 Dollar. Ein Dollar kostete damit 0,7733 Euro.

Schäuble im Krankenhaus

Die Sitzung der Minister wurde vom Ausfall ihres wichtigsten Teilnehmers überschattet. Die allergische Reaktion auf ein Medikament hinderte Deutschlands Wolfgang Schäuble an der Teilnahme. Sein Zustand sei nicht bedrohlich, erklärte sein Sprecher. Bis heute, Montag, bleibe er aber zur Beobachtung in einem Brüsseler Krankenhaus. Innenminister Thomas de Maizière flog aus Berlin ein, um Schäuble zu vertreten. Er wird nun auch als Nachfolger Schäubles als Finanzminister gesehen.

Zahlungsbilanzhilfe hat zwei Pferdefüße

Der 60 Milliarden Euro schwere Teil aus der Zahlungsbilanzhilfe hat zwei Pferdefüße. Erstens sind Euroländer laut Artikel 143 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV) von der bilateralen Zahlungsbilanzhilfe ausgeschlossen. Befürworter der Einbeziehung von Euroländern wenden dagegen ein, dass Europas Staatsführer im Jahr 1992, als sie diese Bestimmung in den Vertrag von Maastricht schrieben, davon ausgingen, dass die Währungsunion alle Zahlungsbilanzprobleme beseitigen würde. Die Gewährung dieser Form von Hilfen würde zudem die Budgetdisziplin nicht untergraben, sondern im Gegenteil fördern. Geld gäbe es ja nur gegen harte Sanierung. Pröll sagte, die Juristen des Rates hätten dies für legal einwandfrei erklärt.

Die zweite offene Frage: Was passiert, wenn diese 60 Milliarden Euro nicht reichen? Dann müsste das EU-Budget als Sicherheit herhalten. Alle daraus bezahlten Posten, von der Gemeinsamen Agrarpolitik bis zu den Forschungsprogrammen, müssten aus anderer Quelle finanziert werden. „Darüber will ich nicht spekulieren“, sagte ein Diplomat auf die Frage der „Presse“, ob die Mitgliedstaaten dann frisches Geld in den EU-Haushalt nachschießen müssten.

Der zweite, 440 Mrd. Euro schwere Teil der Rettungsmechanismus wird vorerst ausschließlich von den 16 Euroländern bestritten. Sprich: Nur sie werden Haftungserklärungen für die Darlehen aussprechen, die von diesem Fonds gesammelt werden. Schweden habe sich aber „sehr positiv“ geäußert, was eine Teilnahme betrifft, sagte Pröll. Großbritannien hingegen wird keine Haftungen für diesen „Europäischen Währungsfonds“ übernehmen.

Pröll wandte sich auch in scharfen Worten gegen jene Stimmen, welche den Hauptgrund für die Malaise der Eurozone in der Spekulation an den Finanzmärkten sehen. „Spekulanten haben nur da eine Chance, wo auf Kosten anderer gelebt wird“, sagte der Finanzminister. „Wo ein Staat ausgeraubt wird, lebt das Spekulantentum. Wir sollten nicht so tun, als ob uns das Spekulantentum an den Rand der wirtschaftlichen Perspektiven gebracht hätte."

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Duncan Neiderauer
Geld & Finanzen

Leerverkäufe: Sündenbock oder Wurzel allen Übels?

Seit Mitte Mai sind bestimmte riskante Börsengeschäfte mit Aktien und Euro-Anleihen auch in Deutschland verboten. Für Kritiker sind Leerverkäufe "Massenvernichtungswaffen", Börsenprofis sehen sie als Sündenböcke.
Österreich

Euro rutscht in Richtung "fairer Wechselkurs"

Gerüchte um eine bevorstehende Rückstufung Frankreichs und Italiens ließen am Dienstag den Euro neuerlich abstürzen. Als größeres Problem wird allerdings die europäische Schuldenkrise gesehen.
Wirtschaftskommentare

Der Euro und die fahrlässige Krida

Die Eurostaaten werden ihre Sanierungsprogramme noch einmal nachjustieren müssen. Wir nicht: Wir haben noch keines.
International

Banken-Probleme wegen Hellas-Bonds

Die Vorstände könnten wegen der Griechenland-Hilfe vor Gericht gezerrt werden. Juristen zufolge müssen die Generaldirektoren damit rechnen, von ihren Aktionären geklagt zu werden.
Euro fällt auf tiefsten Stand seit April 2006
International

Länderratings in Gefahr: Euro fällt auf 1,21 Dollar

Marktgerüchte über Rating-Abstufungen von Italien und Frankreich haben einen Kursrutsch ausgelöst. Eine Stabilisierung des Euro ist nicht in Sicht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.