Ablaufende Patente: Pharmaindustrie unter Druck

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

2015 laufen in der Branche Patente im Wert von 130 Mrd. Dollar ab. Neue Verkaufsschlager sind aber noch nicht in Sicht. Der Studie zufolge stellt das die Pharmariesen vor große Herausforderungen.

Wien (nst). Die Pharmaindustrie muss sich in den kommenden Jahren warm anziehen. Denn bis 2015 laufen in der Branche Patente für mehr als 50 Medikamente ab, deren Wert auf insgesamt 130 Milliarden Dollar geschätzt wird. Das ist das Ergebnis einer Studie der Managementberatung „Accenture.“

Der Studie zufolge stellt das die Pharmariesen vor große Herausforderungen. Die Umsätze der Konzerne werden zurückgehen, das viel größere Problem ist aber darin zu sehen, dass der fehlende Erlös nicht durch sogenannte Blockbuster, also Verkaufsschlager, ersetzt werden kann. „Bei vielen dieser Medikamente ist es unwahrscheinlich, dass sie ein Umsatzvolumen von mehr als einer Milliarde Dollar pro Jahr erreichen werden“, heißt es in der Studie.

Läuft der Patentschutz für ein Medikament ab (in Österreich ist das nach 20 Jahren der Fall), dann haben die Hersteller von Generika die Möglichkeit, wirkstoffgleiche Produkte anzubieten, die aufgrund der wegfallenden Entwicklungskosten deutlich günstiger erzeugt werden können. Hinzu kommt, dass der Kostendruck im Gesundheitswesen steigt, weshalb eher zu preiswerteren Produkten gegriffen wird.

Weniger Produkte zugelassen

Bereits im Jahr 2008, so die Studie, war die Marktdurchdringung mit Generikaprodukten beachtlich. In den drei größten europäischen Märkten – Deutschland, Großbritannien und Frankreich – lag sie im Schnitt bei 45 Prozent. In den Vereinigten Staaten ist der Generikamarkt mit einem Anteil von 65Prozent bereits größer als jener für Originalpräparate.

Problematisch dürfte es in den kommenden Jahren vor allem für Konzerne wie Pfizer, aber auch AstraZeneca werden. Denn der Pfizer-Verkaufsschlager und das zugleich umsatzstärkste Medikament weltweit, der Cholesterinsenker Lipitor, spült pro Jahr rund zwölf Mrd. Dollar in die Kasse des Unternehmens. Mit dem Präparat Nexium (gegen Sodbrennen) setzt AstraZeneca jährlich rund fünf Mrd. Dollar um. AstraZeneca trifft es besonders hart: Laut Accenture laufen dort zwischen 2008 und 2013 Patente aus, die etwa die Hälfte des Umsatzes einspielen.

Die Konzerne kämpfen weiters damit, dass die reifen Medikamente, also jene Produkte, deren Patente bereits abgelaufen sind oder demnächst ablaufen werden, stark zugenommen haben. Waren unter den 50 weltweit meistverkauften Medikamenten im Jahr 2002 zwölf Prozent „reife“ Produkte vorzufinden, waren es 2007 schon 15 Prozent. 2011 wird der Anteil auf bis zu 40 Prozent ansteigen.

Zwar haben die 14 größten Pharmafirmen in den vergangenen zehn Jahren 480 Mrd. Dollar in ihre Forschung investiert. Am Ende konnten sie jedoch „bloß“ 85 Medikamente auf den Markt bringen, schreibt das World Economic Forum. Die Investitionen dürften die Umsatzeinbußen aber nicht wettmachen.

Allein in den Jahren 2002 bis 2006 wurden laut Accenture um 43 Prozent weniger Medikamente zugelassen als in den fünf Jahren zuvor. Ein Medikament zu entwickeln dauert rund zehn bis zwölf Jahre. Die Kosten, die damit verbunden sind: bis zu einer Milliarde Euro. Zudem bleibt von rund zwei Millionen getesteten Ausgangssubstanzen bloß eine übrig, die es zur Marktreife schafft, schreibt Novartis.

Wachstum zukaufen

Die bisherige Strategie der Konzerne lautete daher: Möglichst dort zukaufen, wo es Wachstum gibt. Nicht selten kam es in der Vergangenheit zu Übernahmen in der Generikabranche. Nicht zuletzt setzen die Firmen auch auf die starke Nachfrage in den Schwellenländern. Und diese dürfte laut einer Studie des US-Marktforschers IMS Health beachtlich sein. Bis 2014 wird der Markt in diesen Staaten um 14 bis 17 Prozent wachsen. Die Zuwächse in den Industriestaaten liegen bei drei bis sechs Prozent.

Die Pharmabranche braucht sich vorerst aber keine Sorgen zu machen. In den nächsten fünf Jahren soll der Markt weltweit um rund 300 Mrd. Dollar wachsen. 2014 soll er 1,1 Billionen Dollar schwer sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.