Buwog-Affäre: Karl-Heinz Grasser im Verhör-Marathon

(c) APA (ROLAND SCHLAGER)
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Der Ex-Finanzminister wurde überraschend im Bundeskriminalamt und nicht bei der Staatsanwaltschaft Wien einvernommen. Staatsanwalt und Soko-Beamte stellten die Fragen - neun Stunden lang.

WIEN. Am Donnerstagvormittag war es so weit: Karl-Heinz Grasser wurde zur Buwog-Affäre einvernommen. Der einzige von fünf Beschuldigten, der noch nicht verhört wurde (für alle gilt die Unschuldsvermutung). Weshalb es in der politisch brisanten Causa auch herbe Kritik an der Justiz gab, die dem Ex-Finanzminister offensichtlich einen Promi-Bonus einräume. Die Umstände des gestrigen Einvernahme-Marathons vermochten diese Befürchtung nicht zu entkräften. So hatte die sehr kurzfristige Verlegung des Verhörs von der Staatsanwaltschaft Wien in die Räumlichkeiten des Bundeskriminalamtes eine durchaus belebende Wirkung auf die Gerüchteküche.

Schon zur Morgenstunde belagerten Berichterstatter, Fotografen und Kameraleute das Graue Haus in Wien Josefstadt, also jenen Gebäudekomplex, in dem das Straflandesgericht Wien und die Staatsanwaltschaft Wien untergebracht sind. Vergebens: Aber es wäre nicht KHG, wäre nicht auch diesmal etwas Außergewöhnliches passiert: Dort, wo die Journalisten nach Wortspenden und Bildern des einst von ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel geförderten Politikers lechzten, geschah – gar nichts. Mittwochnachmittag hatte der zuständige Staatsanwalt Gerald Denk diskret entschieden, den Ort des Geschehens in das Bundeskriminalamt (BK) in Wien Alsergrund zu verlegen.

Alles ganz normal, hieß es dazu sowohl seitens der Staatsanwaltschaft Wien als auch seitens des BK. Die vielen Aktenstapel würden eben im BK lagern, ein Transport ins Graue Haus sei umständlich. Außerdem sei das BK praktischerweise Sitz der „Soko Buwog“. Dass gleichzeitig im BK ein Hausverbot für Journalisten verhängt wurde, bestritt BK-Sprecher Helmut Greiner. Er gestand aber ein, dass man nur in das Gebäude dürfe, wenn man vorher für einen bestimmten Termin angemeldet sei. Und nicht einfach so.

Katz-und-Maus-Spiel

Das Katz-und-Maus-Spiel hatte schon vor Tagen begonnen: Im Rahmen einer Pressekonferenz sagte die unter Dauerdruck stehende Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) auf Fragen nach dem damals noch ausstehenden Grasser-Einvernahmetermin zu den Journalisten: „Fragen Sie die Staatsanwaltschaft Wien!“ Die Antwort, mit der die oberste Chefin auf einen ihr im weiteren Sinne „unterstehenden“ Ankläger verwies, mutete eigenartig an, sie hatte dennoch eine gewisse Aussagekraft: Immerhin war damit klar, dass es endlich einen Termin gab. Der Anregung der Ministerin folgend, bekamen Medienvertreter bei der Staatsanwaltschaft zunächst – wenig überraschend – keine Auskunft.

Auch der sonst nicht unbedingt öffentlichkeitsscheue Grasser-Anwalt Manfred Ainedter war äußerst zurückhaltend. Ihm war weder der Ort noch die genaue Beginnzeit (neun Uhr) zu entlocken. Und so hieß es neun Stunden lang ausharren – um dann ohnedies enttäuscht zu werden. Denn der Inhalt der Einvernahme ist streng geheim.

Eines war jedenfalls am Abend klar, als Grassers Einvernahme um 18 Uhr zu Ende war: Er hatte sich zu früh gefreut, als er am vergangenen Wochenende meinte, er „freue sich, endlich befragt zu werden“. Denn neun Stunden Verhör sind auch für einen gewieften Dialektiker wie Grasser keine Kleinigkeit, auch wenn der Anwalt daneben sitzt.

Dubiose Provisionen

Im Mittelpunkt steht die Causa Buwog, die eigentlich ein „Nebenschauplatz“ der Ermittlungen rund um Malversationen der einstigen Constantia Privatbank und der Immofinanz ist, aber inzwischen die Bank-Affäre weit in den Schatten gestellt hat. Auslöser der seit einem Jahr laufenden Ermittlungen zu den Vorgängen rund um den Verkauf von 58.000 Bundeswohnungen 2003/04 an die Immofinanz ist eine 9,6 Mio. Euro schwere Provision, die der Grasser-Freund und Lobbyist Walter Meischberger und der PR-Profi Peter Hochegger für Vermittlerdienste beim Buwog-Verkauf kassiert haben.

Die beiden gehören mit Grasser, seinem ehemaligen Kabinettschef Heinrich Traumüller und dem Immobilien-Tycoon und einstigen Buwog-Aufsichtsratsvorsitzenden Ernst Karl Plech zu den Beschuldigten. Für alle gilt wiederum die Unschuldsvermutung. Es geht um Amtsmissbrauch, Bruch des Amtsgeheimnisses, Untreue und wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren, Strafrahmen: bis zu zehn Jahre Haft.

Je tiefer sich die Justiz in die Buwog-Affäre kniete, je mehr Razzien und Einvernahmen durchgeführt wurden, desto umfangreicher wurde der Fall – und er führte die Ermittler zu neuen Schauplätzen: Zur Novomatic und der 2006 geplanten Novelle zum Glücksspielgesetz, bei denen es um Honorare an Meischberger geht und den Verdacht, dass dieser Grasser beeinflussen/bestechen sollte. Beim Verkauf des Dorotheums 2001 geht es ebenfalls um dubiose Provisionen. Und bei der teilprivatisierten Telekom Austria geht es um Honorare an Meischberger und Hochegger, die an diverse Parteien und einen Betriebsrat flossen. Ein Mann spielte immer eine wesentliche Rolle: Grasser war damals Finanzminister. Er muss sich deshalb gleich wegen mehrerer Vorwürfe verteidigen.
Amtsmissbrauch: Da steht die Provision im Mittelpunkt: Meischberger und Hochegger wird vorgeworfen, der Immofinanz Insiderinformationen über das Konkurrenzangebot der CA Immo weitergegeben zu haben, sodass die Immofinanz die CA Immo knapp überbieten konnte. Gab es einen Tipp aus dem Finanzministerium?
Untreue: Eine Investmentbank sollte den Buwog-Verkauf abwickeln. Den Zuschlag erhielt Lehman Brothers. Grasser wird vorgeworfen, als Finanzminister die dafür zuständige Vergabekommission so beeinflusst zu haben, dass diese nicht den Best- und Billigstbieter CA-IB, sondern eben Lehman auswählte. Grassers Freund Karlheinz Muhr war damals für Lehman tätig.

Schwer belastet wird Grasser in diesem Punkt zum einen von Wilfried Trabold, der der Vergabekommission angehörte. Er habe sich über den plötzlichen Sinneswandel der Kommission „maßlos“ geärgert, gab der ehemalige Sektionschef im Finanzministerium bei seiner Einvernahme am 15.Juli zu Protokoll. Grassers Ex-Kabinettsmitarbeiter Michael Ramprecht, der auch in der Vergabekommission saß, hatte schon viel früher den gesamten Buwog-Verkauf inklusive Bank-Auswahl als „abgekartetes Spiel“ bezeichnet. Grasser klagte ihn wegen übler Nachrede – und gewann in erster Instanz.
Falsche Zeugenaussage: Ramprechts Anwalt Michael Pilz hat Grasser wegen falscher Zeugenaussage angezeigt, weil Grasser vor Gericht behauptet hatte, er habe zu Meischberger keinen Kontakt. Abgehörte Telefonate sollen das Gegenteil beweisen.

Die Einvernahme Grassers am Donnerstag war die erste des Ministers, aber nicht die letzte: nächsten Mittwoch geht es weiter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2010)

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